Sparrunden und Sonderschichten: Unternehmen reagieren auf Coronavirus
Die weltweite Ansteckungswelle betrifft immer mehr Unternehmen und Branchen
(dpa) Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zwingt Unternehmen rund um den Globus zum Handeln. Teils wirkt sich die Epidemie bereits jetzt auf Geschäfte aus. Eine Übersicht aktueller Firmennachrichten rund um die Ansteckungswelle - Stand 26. Februar:
qimono, pixabay.com, CC0
Desinfektionsmittel: Hygiene- und Medizinartikelhersteller fahren Sonderschichten. Die Nachfrage nach Masken oder Produkten zum Desinfizieren sei gestiegen, hieß es beim Hersteller Paul Hartmann. Die Hartmann-Tochter Bode Chemie produziert das Desinfektionsmittel Sterillium, das in Krankenhäusern und Arztpraxen zur Desinfektion der Hände zum Einsatz kommt. Bei Bode werde nun auch am Wochenende gearbeitet. Beim Hersteller von Sagrotan, der RB Hygiene Home Deutschland, spricht man von exponentieller Nachfrage-Zunahme.
Schutzmasken: Hersteller und Apotheken verzeichnen einen Ansturm auf Schutzmasken. Für die Menschen in Deutschland sei es aber nicht nötig, im Alltag Atemmasken zu tragen, hieß es beim Apothekerverband ABDA. Auch der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) hatte berichtet, es gebe erhebliche und umfängliche Lieferengpässe. Beim Masken-Hersteller Dräger hieß es: «Unsere Produktionskapazitäten für leichten Atemschutz sind voll ausgelastet und können kurzfristig nicht weiter erhöht werden.»
Wucherpreise: Die hohe Nachfrage nach Mundschutz- oder OP-Masken führt vereinzelt zu extremen Preissprüngen. Ein Händler etwa bot bei Amazon eine Box mit 50 Gesichtsmasken für 95,90 Euro an. Versandapotheken hatten das gleiche Produkt vor kurzem noch für 3,95 Euro im Angebot gehabt - jetzt ist es ausverkauft. Dem US-Internetmagazin «Wired» zufolge hat Amazon einige überteuerte Angebote bereits von seinen Seiten entfernt.
Tui: Der Reisekonzern hat seine Vorsorge verschärft. Alle Tui-Gesellschaften - einschließlich Kreuzfahrten, Flüge und Hotels - befolgten «etablierte Verfahren zur Verhinderung von Infektionen», hieß es. Außerdem seien Hygienemaßnahmen erhöht worden. Für das abgeriegelte Hotel auf Teneriffa habe Tui Deutschland für alle Anreisen bis 13. März einen Buchungsstopp verhängt. Auch für Reisen nach China gelte ein Buchungsstopp.
Lufthansa: Der Konzern hat ein Programm zur Kostensenkung gestartet. Geplante Neueinstellungen werden überprüft, ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter zu unbezahltem Urlaub und geringeren Arbeitsvolumen in Teilzeit bewegt werden. Die Lufthansa Group hat bis Ende März sämtliche Passagierflüge zum chinesischen Festland gestrichen. Auch für Verbindungen nach Hongkong kündigte der Konzern wegen der schwachen Nachfrage weitere Streichungen an.
KLM: Auch die niederländische Fluggesellschaft hat wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sparmaßnahmen angekündigt. Investitionen würden vorerst gestoppt, es werde ein vorläufiger Einstellungsstopp verhängt, berichteten niederländische Medien am Mittwoch. Mitarbeiter seien aufgefordert worden, wenn möglich jetzt ihre Urlaubstage zu nehmen. Ein KLM-Sprecher sprach von «Vorsorgemaßnahmen».
Fresenius Helios: Deutschlands größter privater Klinikbetreiber rüstet sich für Erkrankte mit dem Coronavirus. Das Krankenhauspersonal sei mit Schulungen und regelmäßigen Informationen «auf den Umgang mit an Covid-19 erkrankten Patienten vorbereitet», teilte das Unternehmen mit. Auch habe man ein internes Ablaufschema für die Versorgung von Verdachtsfällen entwickelt. Generell können alle Kliniken, die Patienten mit Influenza aufnehmen, auch Patienten mit einer Corona-Erkrankung behandeln.
Lebensmittelhändler: Große Lebensmittelhändler registrieren bisher in Deutschland noch keine auffälligen Hamsterkäufe. Eine Rewe-Sprecherin sagte, weder bei Rewe noch bei der konzerneigenen Discounterkette Penny seien bisher «auffällige Nachfrageverstärkungen» festzustellen. Das gleiche berichtete Aldi Süd. Bei der SB-Warenhauskette Real hieß es: «Wir spüren absolut noch gar nichts.» Lidl bemerkte «bei einigen Trockenartikeln und Konserven einen erhöhten Abverkauf».
Diageo: Der Spirituosenkonzern (Smirnoff Wodka, Zacapa Rum, Johnnie Walker Whisky) rechnet mit erheblichen Auswirkungen auf das laufende Geschäft. Der organische Nettoumsatz im Geschäftsjahr 2019/20 (bis Ende Juni) dürfte wegen des Virus zwischen 225 und 325 Millionen Pfund (268,68 bis 388,08 Mio Euro) geringer ausfallen. Viele Bars und Restaurants in China seien geschlossen, was zu einem erheblichen Einbruch im Geschäft führe. Andere Spirituosenhersteller wie Pernod Ricard und Remy Cointreau hatten ihre Prognosen bereits gekürzt.
Danone: Der französische Lebensmittelkonzern stutzt seine Jahresziele für 2020. Bisher war das Management für das laufende Jahr von einem flächenbereinigten Umsatzwachstum von 4 bis 5 Prozent ausgegangen. Nun sollen es 2 bis 4 Prozent werden. In China hat die Ausbreitung des neuartigen Virus bereits auf die Umsätze im Wassergeschäft sowie im Geschäft mit Babynahrung gedrückt.
ITB: Die weltgrößte Tourismusmesse ITB (4. bis 8. März) verschärft auf Anweisung der Gesundheitsbehörden die Vorgaben. Aussteller, die innerhalb der vergangenen 14 Tage in den jeweiligen Risikogebieten in China, Iran, Italien oder Südkorea waren, Kontakt zu einer infizierten Person hatten oder Anzeichen typischer Symptome wie Fieber, Husten oder Atembeschwerden haben, erhalten keinen Zutritt zum Messegelände. Alle Aussteller müssten eine Erklärung ausfüllen als Voraussetzung für den Zugang. Wer zur Risikogruppe gehöre oder sich weigere, die Erklärung auszufüllen, erhalte keinen Zutritt.
Reifenmesse: Die Veranstalter der Reifenmesse Tire Technology Expo in Hannover haben strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Besucher oder Mitarbeiter, die in die Halle wollten, müssten schriftlich bestätigen, in den 17 Tagen vor ihrer Ankunft nicht in China gewesen zu sein. Auch müssten sie bestätigen, keine Grippe oder Lungenentzündung zu haben und kein Träger des neuen Coronavirus zu sein. Beim Einlass werde bei jedem Besucher per elektronischem Screening zudem die Temperatur gemessen.
Messen: Die für Anfang März geplante Eisenwarenmesse in Köln soll nun im Februar 2021 stattfinden. Nach Angaben der Kölner Messe vom Dienstag hatten zuvor Aussteller abgesagt. Auch in Frankfurt entschied man sich, die zunächst vom 8. bis zum 13. März geplante Messe für Licht und Gebäudetechnik Light + Building zu verschieben. Die Veranstalter der Hannover Messe wollen sich mit der Entscheidung über eine mögliche Verschiebung der weltgrößten Industrieschau (20. bis 24. April) noch Zeit lassen.
Schifffahrt: Die weltweiten Lieferketten geraten durcheinander und bremsen die internationale Schifffahrt. Die genauen Auswirkungen sind laut dem Verband Deutscher Reeder jedoch noch offen. Aber Charterraten für Massengutschiffe seien teils um 30 bis 40 Prozent oder mehr zurückgegangen - weil China weniger Rohstoffe importiert. Zudem stocke die Beladung von Containerschiffen, weil es in den großen Häfen auch im Süden Chinas an Kran- und Lkw-Fahrern sowie an Hafenarbeitern fehle. Das führe zu längeren Liegezeiten.
Häfen: Die Folgen der Coronavirus-Epidemie dürften sich in absehbarer Zeit auch in den Häfen von Wilhelmshaven und Bremerhaven bemerkbar machen. Zwar seien die konkreten Auswirkungen auf den Seehandel mit China noch unklar. Aber sicher sei, dass es sie geben werde, hieß es bei Bremenports. Im JadeWeserPort in Wilhelmshaven ist nach Angaben des Terminalbetreibers Eurogate derzeit noch nichts zu spüren. Aber mit Blick auf gestrichene Schiffsabfahrten in Asien sei das wohl nur eine Frage der Zeit. Eine Prognose könne noch nicht gegeben werden.
Rio Tinto: Der Bergbaukonzern blickt angesichts der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus vorsichtig in die Zukunft. «Wir schauen uns die Auswirkungen des Coronavirus genau an und haben uns auf kurzfristige Beeinflussungen wie etwa Probleme bei Lieferketten vorbereitet», sagte Unternehmenschef Jean-Sebastien Jacques. Momentan erreichten die Produkte die Kunden. Allerdings könnte die aktuelle Lage zu großen, kurzfristigen Unsicherheiten führen.