„Volkszählung“ im Gehirn des Zebrafischs

Wissenschaftler untersuchen neugebildete, regenerierte Gehirnzellen

09.01.2020 - Deutschland

Der Zebrafisch ist ein Meister der Regeneration: Gehen ihm Gehirnzellen durch Verletzung oder Krankheit verloren, kann er sie einfach nachbilden – ganz im Gegensatz zum Menschen, wo sie nur im Fötal-Stadium gebildet werden. Der Zebrafisch ist jedoch evolutionär mit dem Menschen verwandt und besitzt daher die gleichen Zelltypen, die auch im menschlichen Gehirn vorhanden sind. Kann also ein verborgenes Regenerationspotenzial auch im Menschen aktiviert werden? Sind Therapien für Schlaganfall, Schädel-Hirntrauma und bisher unheilbare Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson möglich?

© CRTD

Der Zebrafisch kann nach Verletzung viele neue Gehirnzellen bilden, integriert sie ins Nervensystem und regeneriert

Dresdner Wissenschaftlern ist es gelungen, mit einer „Volkszählung“ im Gehirn die Anzahl und den Typ neu gebildeter Nervenzellen beim Zebrafisch zu ermitteln. Deren Bildung in hoher Anzahl und Integration ins Nervensystem nach einer Verletzung sind der Grund für die erstaunliche Regenerationsfähigkeit des Zebrafischgehirns. Die Studie entstand als Dresdner Gemeinschaftsprojekt: Wissenschaftler des Zentrums für Regenerative Therapien TU Dresden (CRTD) kombinierten ihre Expertise in der Stammzellbiologie mit neuesten Methoden des DRESDEN-concept Genome Centers und komplexen bio-informatischen Analysen des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme und des Zentrums für Systembiologie Dresden. Sie publizierten ihre Ergebnisse nun im Wissenschaftsjournal DEVELOPMENT, das über Themen der Entwicklungs-, Stammzell- und Regenerationsbiologie berichtet.

Für ihre Studie nutzte das Team um Dr. Christian Lange und Prof. Dr. Michael Brand vom CRTD erwachsene transgene Tiere, in deren Vorderhirn sie die neu entstandenen Neuronen identifizieren konnten. Das Vorderhirn des Zebrafisches ist das Äquivalent zur menschlichen Großhirnrinde, dem größten und funktionell wichtigsten Teil des Gehirns. Anschließend untersuchte das Dresdner Forscherteam die neu gebildeten und reifen Neuronen sowie Gehirn-Stammzellen mittels Einzelzell-Sequenzierung. So fanden sie spezifische Marker für neu gebildete Neuronen und konnten umfassend analysieren, welche Typen von Nervenzellen im erwachsenen Gehirn des Zebrafisches neu gebildet werden.

Die Wissenschaftler entdeckten dabei zwei Neuronen-Typen, die sich neu bilden können: Projektionsneurone, die Verbindungen zwischen Hirnarealen schaffen, sowie Interneurone, die der Feinsteuerung der Aktivität der Projektionsneuronen dienen. Die Forscher untersuchten auch die Daten, die bei Gehirnzell-Sequenzierungen von Mäusen gewonnen wurden und stellten fest, dass Zebrafisch und Maus die gleichen Zelltypen besitzen. Damit bekommen diese Ergebnisse eine hohe Relevanz auch für den Menschen.

„Auf Basis dieser Studie werden wir die Regenerationsprozesse, die im Zebrafisch ablaufen, zielgerichtet weiter untersuchen. Vor allem werden wir die Bildung neuer Nervenzellen nach traumatischer Hirnschädigung und ihre Integration untersuchen“, sagt Prof. Dr. Michael Brand, Direktor des CRTD und Senior-Autor der Studie. „Wir erhoffen uns daraus wichtige Erkenntnisse für mögliche Therapien, die dem Menschen nach Verletzungen, Schlaganfall und bei neurodegenerativen Erkrankungen helfen. Wir wissen bereits, dass eine gewisse Regenerationsfähigkeit auch beim Menschen vorhanden ist und arbeiten daran, dieses Potenzial wachzurufen. Wichtig sind die Ergebnisse unserer Studie auch für das Verständnis, unter welchen Voraussetzungen sich transplantierte Gehirnzellen mit den vorhandenen vernetzen und damit dem Menschen die geistige Leistungsfähigkeit zurückgeben können.“

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