Krebsartiger Stoffwechsel und die Evolution der menschlichen Gehirngröße
Wirkungsmechanismus des menschenspezifischen Gens für Hirngröße entschlüsselt
Namba et al. / MPI-CBG
Die Forschungsgruppe von Wieland Huttner, einem der Gründungsdirektoren des MPI-CBG, erforscht seit vielen Jahren die molekularen Mechanismen, die der Vergrößerung des Gehirns während der Evolution von Säugetieren zugrunde liegen. Im Jahr 2015 berichteten die Forscher von einer Schlüsselrolle für ein Gen, das nur beim Menschen und bei unseren nächsten ausgestorbenen Verwandten, den Neandertalern und Denisova-Menschen, vorkommt. Dieses Gen ARHGAP11B bewirkt, dass sich die sogenannten basalen Hirnstammzellen vermehren und dadurch mehr Nervenzellen gebildet werden können, was letztendlich zu einem größeren und gefalteten Gehirn führt. Wie das Gen innerhalb der basalen Hirnstammzellen arbeitet, war bisher nicht bekannt.
Dieser Frage ging Takashi Namba, Postdoktorand in der Forschungsgruppe von Wieland Huttner, gemeinsam mit Kollegen vom MPI-CBG, dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden (UKD) und der Abteilung für Medizinische Biochemie der Semmelweis-Universität Budapest nach. Er fand heraus, dass das ARHGAP11B Protein in den Mitochondrien sitzt. Diese Organellen erzeugen den größten Teil der chemischen Energie in einer Zelle und werden daher oft als das Kraftwerk der Zelle bezeichnet. Takashi Namba erklärt die Ergebnisse: „Wir fanden heraus, dass ARHGAP11B mit einem Protein in der Membran von Mitochondrien zusammenwirkt, welches eine Membran-Pore steuert. Als Folge dieser Wechselwirkung schließen sich die Poren in der Membran und verhindern so den Austritt von Kalzium aus den Mitochondrien. Die dadurch entstehende höhere Kalziumkonzentration veranlasst die Mitochondrien, über den Stoffwechselweg Glutaminolyse chemische Energie zu erzeugen. Auf diese Weise kann ARHGAP11B basale Hirnstammzellen dazu bringen, einen größeren Pool von Stammzellen zu bilden“.
Wieland Huttner, der die Studie betreute, unterstreicht die Bedeutung dieser Ergebnisse: „Eine erhöhte Glutaminolyse ist ein Kennzeichen von sich stark vermehrenden Zellen, insbesondere von Tumorzellen. ARHGAP11B könnte also zur evolutionären Vergrößerung des menschlichen Gehirns dadurch beigetragen haben, dass es in den basalen Hirnstammzellen für einen begrenzten Zeitraum während der Hirnentwicklung einen krebsartigen Stoffwechsel ausgelöst hat“.
Originalveröffentlichung
Takashi Namba, Judit Dóczi, Anneline Pinson, Lei Xing, Nereo Kalebic, Michaela Wilsch-Bräuninger, Katherine R. Long, Samir Vaid, Janelle Lauer, Aliona Bogdanova, Barbara Borgonovo, Anna Shevchenko, Patrick Keller, David Drechsel, Teymuras Kurzchalia, Pauline Wimberger, Christos Chinopoulos, Wieland B. Huttner; "Human-specific ARHGAP11B acts in mitochondria to expand neocortical progenitors by glutaminolysis"; Neuron; 26. Dezember 2019.
Meistgelesene News
Originalveröffentlichung
Takashi Namba, Judit Dóczi, Anneline Pinson, Lei Xing, Nereo Kalebic, Michaela Wilsch-Bräuninger, Katherine R. Long, Samir Vaid, Janelle Lauer, Aliona Bogdanova, Barbara Borgonovo, Anna Shevchenko, Patrick Keller, David Drechsel, Teymuras Kurzchalia, Pauline Wimberger, Christos Chinopoulos, Wieland B. Huttner; "Human-specific ARHGAP11B acts in mitochondria to expand neocortical progenitors by glutaminolysis"; Neuron; 26. Dezember 2019.
Themen
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Life-Science-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Biotechnologie, Pharma und Life Sciences bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.