Vom Krebsmedikament zum Antibiotikum

Modifizierter Krebs-Wirkstoff wirkt gegen multiresistente Bakterien

18.12.2019 - Deutschland

Gegen Antibiotika resistente Keime verursachen immer wieder tödliche Infektionen. Ein Wissenschaftsteam der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig habt nun ein zugelassenes Krebsmedikament so modifiziert, dass es gegen multiresistente Erreger aktiv ist.

Andreas Heddergott / TUM

Doktorand Robert Macsics beim Betrachten einer Agar-Platte, auf der Kolonien des Bakteriums Staphylokokkus aureus gewachsen sind. Der Farbwechsel der Platte von Rot zu Gelb im Bereich der Bakterienkolonien zeigt an, dass es sich um Bakterien der Art S. aureus handelt.

Manfred Rohde / HZI

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von intakten MRSA (blau), durch die Wirkung von PK150 induzierte Vesikelbildung (grün) und durch PK150 zerstörte MRSA (rot).

Andreas Heddergott / TUM
Manfred Rohde / HZI

Der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ist immer wieder Ursache für schwere und hartnäckige Infektionen. Manche Stämme sind sogar bereits gegen mehrere Antibiotika resistent. Daher werden dringend neue Wirkstoffe benötigt, die MRSA-Infektionen kontrollieren können.

„Die industrielle Entwicklung neuer Antibiotika stockt momentan und hält mit der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen nicht Schritt. Wir brauchen dringend innovative Ansätze, um den Bedarf an neuen Infektionstherapien, die nicht unmittelbar zu erneuter Resistenzbildung führen, zu decken“, sagt Prof. Eva Medina, Leiterin der HZI-Forschungsgruppe Infektionsimmunologie.

Neue Strategien zur Entwicklung von Antibiotika

Eine vielversprechende Strategie ist es, zugelassene Medikamente auf eine mögliche Wirkung gegen Bakterien zu testen. „Unser Schwerpunkt lag hierbei auf einer Klasse von menschlichen Proteinen, sogenannten Kinasen, für die es bereits sehr viele Hemmstoffe gibt“, sagt Studienleiter Prof. Stephan Sieber, Professor für organische Chemie an der TUM.

Der Wirkstoff Sorafenib, ein Krebsmedikament, das gegen MRSA aktiv ist, wurde von ihnen daher chemisch modifiziert, um eine stärkere antibiotische Wirkung zu erreichen. So entwickelten sie das Molekül PK150, das zehnmal wirksamer gegen MRSA ist als die Ausgangssubstanz.

Mehrfachangriff vermeidet Resistenzbildung

Der potente neue Wirkstoff wirkt gegen mehrere unkonventionelle Zielstrukturen bei den Bakterien. Zwei Angriffsziele wurden genauer untersucht: PK150 hemmt einerseits ein essenzielles Protein des bakteriellen Energiestoffwechsels und wirkt andererseits an der Zellwand.

Im Unterschied zu bereits bekannten Antibiotika wie Penicillin und Methicillin, die die Bildung der Zellwand stören, wirkt PK150 indirekt: Es bringt die Proteinproduktion der Bakterien aus dem Gleichgewicht. Dadurch geben die Bakterien mehr Proteine, die die Zellwandstärke kontrollieren, nach außen ab, und die Zellen platzen auf.

In Mäusen war PK150 in verschiedenen Geweben gegen MRSA wirksam. Während Staphylokokken schnell Resistenzen gegen andere Antibiotika entwickeln, beobachteten die Forscher keine Resistenzbildung gegen PK150.

Wirkung gegen Biofilme und Persister-Zellen

Eva Medina und Dr. Katharina Rox, Pharmakologin aus der Abteilung „Chemische Biologie“ am HZI, zeigten, dass PK150 günstige pharmakologische Eigenschaften aufweist. Es kann beispielsweise als Tablette verabreicht werden und ist im Körper über mehrere Stunden stabil. „Durch die chemischen Veränderungen an dem Molekül bindet PK150 auch nicht mehr an die menschlichen Kinasen, sondern wirkt sehr spezifisch gegen bakterielle Ziele“, sagt Sieber.

Und noch ein Plus besitzt PK 150: „MRSA-Infektionen sind besonders häufig chronisch, da die Bakterien in eine Art Ruhezustand verfallen können. PK150 tötet auch diese sowie Keime, die sich geschützt in Biofilmen befinden“, sagt Prof. Dietmar Pieper, Leiter der HZI-Forschungsgruppe „Mikrobielle Interaktionen und Prozesse“.

Im Projekt aBACTER optimiert nun die Arbeitsgruppe von Prof. Sieber PK150 weiter, um als nächstes in die klinische Entwicklungsphase eintreten zu können.

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