Pilz als Untermieter produziert Wirkstoff einer Heilpflanze
Grundlagen für biotechnologische Herstellung
Christiane Henno
Werden Arzneipflanzen wild gesammelt, kann das ihren Bestand gefährden. Selbst wenn Pflanzen für die Naturstoffproduktion gezüchtet werden, ergeben sich viele Schwierigkeiten: Das Pflanzenwachstum ist vergleichsweise langsam, die Stoffe werden häufig nur in geringen Mengen produziert und müssen in aufwendigen Verfahren aus der Pflanze extrahiert werden. „Ziel ist daher vielfach, wie auch bei den Astinen, eine kostengünstige biotechnologische Produktion“, sagt Thomas Schafhauser. Astine binden an ein wichtiges menschliches Regulatorprotein, wodurch sie möglicherweise zur Unterdrückung von Immunreaktionen und gegen das Wachstum von Tumoren eingesetzt werden könnten.
„Für die Entwicklung eines biotechnologischen Verfahrens muss man die beteiligten Gene und den Stoffwechselweg kennen, über den ein Naturstoff gebildet wird“, sagt der Wissenschaftler. Astine hätten eine ungewöhnliche komplexe chemische Struktur. „Vergleiche mit teilweise ähnlichen Naturstoffen deuteten auf Bakterien oder Pilze als Produzenten des Astins hin.“ So stießen die Forscher auf den in der Pflanze lebenden Pilz C. asteris. Bei den Experimenten des Forschungsteams ließ sich der Pilz problemlos vermehren und kultivieren. Er stellte zudem anhaltend große Mengen Astin her. „Außerdem wurde das Pilzgenom vollständig sequenziert“, sagt Schafhauser. Im entschlüsselten Genom fand das Team die Gene, die für den Aufbau des Astins zuständig sind. Somit seien wichtige Voraussetzungen gegeben, um biotechnologische Verfahren zur kommerziellen Herstellung von Astin zu entwickeln.
Zusammenarbeit verschiedener Arten
In Experimenten belegten die Forscher, dass Individuen der Tataren-Aster (Aster tataricus) ohne den Pilz C. asteris kein Astin produzierten. Durch erneute Infektion mit dem Pilz ließ sich die Funktion wiederherstellen. „Außerdem enthielten diese Pflanzen die Variante Astin A, die der Pilz, wenn er einzeln kultiviert wurde, nicht bilden konnte“, berichtet Linda Jahn. „Wir gehen davon aus, dass Pilz und Pflanze hier im Sinne einer Symbiose zu beiderseitigem Vorteil zusammenarbeiten und die Pflanze ein Signal zur Herstellung des Astins A gibt oder selbst das Astin aus dem Pilz weiter verarbeitet.“
Solche über eine Art hinausgehenden Stoffwechselwege, die die Symbiose zwischen zwei oder mehr biologischen Partnern erfordern, seien bisher weitgehend unerforscht. „Möglicherweise sind sie stark verbreitet, aber darüber wissen wir bisher zu wenig“, sagt die Wissenschaftlerin. Bei der Tataren-Aster sei unklar, inwiefern ihr der komplexe Stoff Astin Vorteile bringt. Er könnte bei der Verteidigung gegen Fressfeinde oder Krankheitserreger eine Rolle spielen.
Originalveröffentlichung
Thomas Schafhauser et al.; "Antitumor astins originate from the fungal endophyte Cyanodermella asteris living within the medicinal plant Aster tataricus"; Proceedings of the National Academy of Sciences; 2019.