Ein lebendes Labor

28.11.2019 - Deutschland

Die LMU-Biologen Marcel Dann und Dario Leister konnten erstmals zeigen, dass es sowohl bei Pflanzen wie bei Cyanobakterien ähnliche Mechanismen und Schlüsselproteine gibt, die den zyklischen Elektronfluss bei der Photosynthese regeln.

ole/LMU

Professor Dario Leister untersucht in seinem Labor in Martinsried Prozesse der Photosynthese.

Bei der natürlichen Photosynthese ist der zyklische Elektronfluss von zentraler Bedeutung, allerdings war bislang unklar, welche Bestandteile ihn vom linearen Elektronentransport unterscheiden und wie er genau reguliert wird. Die LMU-Biologen Marcel Dann und Dario Leister konnten nun erstmals nachweisen, dass zwei bestimmte Proteine den zyklischen Elektronentransport in Pflanzen tatsächlich kontrollieren. PGRL1 und PGR5, so ihre Namen, waren in den vergangenen Jahren im Labor von Dario Leister und von japanischen Forschern schon als wichtige Protagonisten bei der Photosynthese identifiziert worden. In Pflanzen ist der zyklische Elektronentransport konkret für die Bereitstellung von Energie zuständig, es ist ein zentraler Weg des Elektronenflusses während der Lichtreaktionen der Photosynthese. Wenn Pflanzen Stress haben, Schäden reparieren müssen oder sich die Umweltbedingungen ändern, sind sie auf ihn angewiesen. „Wenn er ausfällt, geht es den Pflanzen schnell sehr schlecht“, sagt Leister.

Da zyklischer Elektronenfluss in Pflanzen extrem schwer direkt zu messen ist, nutzten die Biologen Cyanobakterien als Modellsystem für ihren Nachweis. Cyanobakterien sind Vorfahren der Chloroplasten – den „Photosynthese-Fabriken“ in den Pflanzen. Ihre molekularen Mechanismen ähneln daher denen von Pflanzen, seien aber deutlich weniger komplex, so Leister. „Das sind Systeme, die eine einfachere Photosynthese haben.“ In diese Bakterien schleusten die Biologen die beiden Pflanzen-Proteine ein und analysierten deren Zusammenspiel. „Wir waren überrascht, als wir dort so etwas wie zyklischen Elektronentransport messen konnten“, sagt Leister. „Damit konnten wir eindeutig nachweisen, dass tatsächlich diese beiden Proteine eine Schlüsselrolle beim zyklischen Elekronentransport haben.“ Gleichzeitig zeigte sich, dass diese beiden Proteine auch ausreichen, um mit dem bereits vorhandenen Material in den Bakterien zyklischen Elektronentransport anzukurbeln, also keine weiteren speziellen Proteine aus der Pflanze dazu notwendig sind.

Das zweite eingeschleuste Protein PGRL1 kommt normalerweise nicht in Cyanobakterien vor, und daher haben sich die Forscher schon lange die Frage gestellt, wie es sein kann, dass zyklischer Elektronentransport bei Pflanzen offensichtlich von PGR5 und PGRL1 abhängt, bei Cyanobakterien aber nur mit PGR5 auskommen kann. In ihrer Studie fanden die Forscher noch ein zweites, wichtiges Detail heraus. Auch in Cyanobakterien gibt es ein zweites Protein, das offenbar eine ähnliche Funktion wie PGRL1 in Pflanzen hat. Es weist mit diesem aber nur noch eine geringe Ähnlichkeit auf. Leister und sein Kollege Marcel Dann konnten dieses SII1217 genannte Protein erstmals beschreiben.

Dario Leister will die Erkenntnisse auch für praktische Anwendungen nutzen. Der Biologe hat sich in seinem neuen Projekt „PhotoRedesign“, das soeben mit einem ERC-Synergy-Grant ausgezeichnet wurde, zum Ziel gesetzt, Prozesse der Photosynthese zu verbessern und Konzepte zu entwickeln, wie sich das Sonnenlicht photochemisch noch besser nutzen lässt. „Wir versuchen, besser zu sein als die Natur, indem wir das Beste aus verschiedenen Photosynthese-Systemen kombinieren“, sagt Leister. Das nun genutzte Modellsystem der veränderten Cyanobakterien gibt mehr Möglichkeiten für Experimente. „In Bakterien können wir den zyklischen Elektronentransport der Pflanzen experimentell mit gentechnischen Methoden innerhalb weniger Wochen verändern“, sagt Leister. „Unser verändertes Cyanobakterium ist wie ein lebendes Labor, in dem man zyklischen Elektronentransport sehr schnell verändern kann. In Pflanzen würden solche Versuche Jahre dauern.“ Lösungen im Bakterium lassen sich dann wieder zurück in die Pflanze übertragen. „Das spart nicht nur extrem viel Zeit, sondern ermöglicht Experimente, die in Pflanzen gar nicht möglich sind“, sagt Leister.

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