„Intelligente“ Implantat-Beschichtungen sollen Infektionen im Keim ersticken

Neu entwickelte Beschichtung entlässt antimikrobielle Ionen – aber nur so schnell wie nötig

26.11.2019 - Deutschland

Ein Material, das vor allem dann toxisch wirkt, wenn sich in seiner Umgebung Bakterien tummeln? Physiker der Universität Augsburg haben zusammen mit Kollegen aus Hamburg und München eine solche „intelligente“ Beschichtung entwickelt. Sie könnte in Zukunft dazu beitragen, Komplikationen bei der Einheilung von Endoprothesen zu verhindern. Die Beschichtung bietet zudem weitere Vorteile: Es ist ausgesprochen verschleißarm und doch gleichzeitig so „rau“, dass Knochenzellen gut an ihm haften.

© AG Biophysik, Universität Augsburg / Scientific Reports

Intelligente Beschichtung: In einen hauchdünnen Überzug aus diamantähnlichem Kohlenstoff (DLC) sind Nanopartikel aus Zinkoxid eingebettet (oben). Die dargestellten Bakterien sind nicht maßstabsgerecht, sondern in Wirklichkeit rund 20 mal größer. Wenn die Zinkoxid-Partikel in Lösung gehen, bleiben auf der Oberfläche winzige Vertiefungen zurück (unten, hier in Negativ-Darstellung – die Vertiefungen erscheinen als Berge). An ihnen können sich Knochenzellen gut anhaften. DLC ohne Zinkoxid (rechts unten) wird deutlich leichter von Bakterien besiedelt als solches mit Metall-Partikeln (rechts oben). Beide Aufnahmen sind bei einem pH-Wert entstanden, der normalerweise bei Infektionen herrscht.

Die Implantation künstlicher Hüft- oder Kniegelenke gehört heute zum chirurgischen Alltag. Ein Problem, mit dem die Ärzte zu kämpfen haben, sind Infektionen in der Nähe der Prothese. Sie verzögern die Einheilung und können die Stabilität der Verbindung zwischen Endoprothese und Knochen dauerhaft beeinträchtigen. Darüber hinaus erhöhen sie für den Patienten das Operationsrisiko. „Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Bakterien gegen gängige Antibiotika resistent werden“, erklärt Dr. Christoph Westerhausen vom Lehrstuhl für Experimentalphysik I der Universität Augsburg. „Das zwingt uns zur Suche nach Alternativen.“

Eine solche könnte die neuartige Beschichtung sein, die das Forschungsteam aus Augsburg, Hamburg und München nun entwickelt und getestet haben. Dabei handelt es sich um einen hauchdünnen Überzug aus diamantähnlichem Kohlenstoff, der bei Experten unter dem Kürzel „DLC“ firmiert. DLC-Beschichtungen sind äußerst widerstandsfähig; sie werden daher schon seit vielen Jahren immer dann eingesetzt, wenn Verschleiß und Abrieb minimiert werden müssen. Der Clou der neuartigen Beschichtung liegt aber woanders: „Wir haben sie gezielt mit Zinkoxid-Partikeln dotiert“, betont Westerhausen. „Zinkionen sind für Mikroorganismen toxisch; die Auflösung von Zinkoxid ist zudem stark vom pH-Wert der Lösung abhängig.“

Leider hat das Schwermetall jedoch einen bedeutenden Nachteil: Es kann auch Körperzellen schädigen oder sogar abtöten – ein Effekt, der natürlich bei der Einheilung des Implantats unerwünscht ist. So lange das Zinkoxid in die DLC-Schicht eingebettet ist, besteht allerdings keine Gefahr. Erst wenn sich die Nanopartikel in der Gewebsflüssigkeit lösen und das Zink so zu einem frei beweglichen Ion wird, entfaltet es sein toxisches Potenzial. Besonders schnell geschieht das in sauren Umgebungen (ein Effekt, den man übrigens bei der Herstellung der früher weit verbreiteten Zink-Kohle-Batterien nutzte). „Und genau dieses Phänomen hat uns zum Design unserer DLC-Schichten bewogen“, sagt Westerhausen.

Wenn die Wunde sauer wird

Denn Infektionen gehen oft mit einer Verringerung des pH-Werts einher – die Wunde „wird sauer“. Die Idee der Wissenschaftler: Vielleicht führt das dazu, dass der Kohlenstoff-Überzug seinen Zink-Inhalt vor allem in Anwesenheit von Bakterien abgibt – also dann, wenn es tatsächlich nötig ist. „Wir haben daher zunächst winzige Zinkoxid-Partikel erzeugt“, erläutert der Biophysiker. „Jeder von ihnen war nicht einmal ein Zwanzigstel so dick wie ein Bakterium.“ Dann rührten die Forscher diesen „Schwermetall-Staub“ in eine flüssige Polymerlösung ein und benetzten damit ihre Test-Implantate. Den dünnen Polymerfilm wandelten sie anschließend durch ein trickreiches Verfahren in DLC um.

Die so erhaltene Beschichtung testeten sie auf ihr Verhalten bei unterschiedlichen pH-Werten. Normalerweise ist die Gewebsflüssigkeit neutral bis minimal alkalisch; bei einer Entzündung wird sie dagegen leicht sauer. Tatsächlich löste sich das Zinkoxid unter diesen Bedingungen deutlich schneller: Die Beschichtung entließ bei einer Absenkung des pHs um eine Stufe (was etwa dem typischen Wert bei einem Infekt entspricht) in der Anfangsphase der Freisetzung rund dreißig Prozent mehr Zinkionen. In einer noch saureren Umgebung betrug die Steigerung sogar 130 Prozent.  In mikrobiellen Tests konnten die Forscher zudem zeigen, dass die Beschichtung Bakterien wirksam in ihrem Wachstum hemmen kann – und zwar vor allem bei einem sauren pH-Wert. Zu den getesteten Mikroben gehörten auch solche, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind und die nach Operationen daher häufiger Probleme verursachen.

Zwar wurden auch Gewebszellen durch die Zink-Ionen geschädigt. „Doch bei ihnen tritt die Wirkung ebenfalls vor allem bei saurem pH auf, also bei einem Infekt“, betont Dr. Westerhausen. „In einer solchen Situation überwiegt aber der Vorteil – nämlich die Abtötung der Bakterien – den Nachteil der Gewebsschädigung bei weitem.“ In weiteren Tests wollen die Wissenschaftler nun verschiedene Parameter der neuen Beschichtung variieren, etwa die Menge der hinzugefügten Zink-Ionen. Sie hoffen so, den Effekt weiter optimieren zu können. Westerhausen: „Wir sehen in unseren DLC-Schichten schon jetzt großes Potenzial, Komplikationen bei der Einheilung von Endoprothesen deutlich zu reduzieren.“

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