Rasante Entstehung von Antibiotikaresistenzen im Behandlungsalltag
Wie der Krankheitskeim Pseudomonas aeruginosa resistent gegenüber Antibiotika wird
© Christian Urban, Kiel University
Beispiel Mukoviszidose
Das Forschungsteam konzentrierte sich in der Studie auf eine kleine Gruppe von Mukoviszidose-Patienten. Die bislang unheilbare Krankheit, die auch als zystische Fibrose bekannt ist, beruht auf einem gestörten zellulären Wassertransport und führt zu zähflüssigen Körpersekreten und damit verbundenen Funktionsstörungen zahlreicher Organe. Sie betrifft insbesondere Atemwege und Lunge und macht die Erkrankten besonders anfällig für Infektionen. Bei den meisten erwachsenen Betroffenen ist für Lungeninfektionen der Erreger Pseudomonas aeruginosa verantwortlich. Sie müssen in der Folge häufig oder sogar permanent mit Antibiotika behandelt werden.
Um zu beobachten, ob bereits im Zuge einer einzelnen antibiotischen Standardbehandlung mit zwei oder mehreren parallel verabreichten Wirkstoffen Resistenzen entstehen, untersuchten die Wissenschaftler täglich das Bronchialsekret der Betroffenen und entnahmen daraus Pseudomonas-Bakterien. So konnten sie den Verlauf der Anpassung des Keims an die Therapie im Verlaufe von 14 Tagen untersuchen. „Bei etwa jedem Dritten Erkrankten passte sich der Erreger überraschend schnell an die Medikamentengabe an und es bildeten sich innerhalb von einem bis drei Tagen Antibiotikaresistenzen“, fasst Dr. Leif Tüffers, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik, zusammen. „Die schnelle Resistenzentwicklung betraf vor allem neu verabreichte Antibiotika aus der Wirkstoffklasse der Betalactame“, so Tüffers weiter.
Gute Übereinstimmung mit Evolutionsexperimenten
Diese erstmals in Echtzeit an Patienten im klinischen Alltag gewonnenen Erkenntnisse decken sich gut mit den experimentellen Beobachtungen aus vorangegangenen Laborexperimenten mit dem Pseudomonas-Erreger. Zwar entwickeln sich Resistenzen im Labor schneller, teilweise innerhalb weniger Stunden, allerdings wachsen die Bakterien im Körper der Erkrankten deutlich langsamer. Worauf die besonders schnelle Resistenzbildung gegenüber den Betalactam-Antibiotika beruht, zu denen auch das Penicillin gehört, ist noch nicht vollständig geklärt. „Möglicherweise geschieht diese schnelle Anpassung an das Medikament infolge von spontan entstehenden, neuen Mutationen bestimmter Resistenzgene des Krankheitskeims“, sagt Tüffers.
In künftigen Forschungsarbeiten im Rahmen des Exzellenzclusters PMI wollen die Wissenschaftler nun bestimmte evolutionsbasierte Strategien gegen die Resistenzbildung auch im klinischen Umfeld untersuchen, die sich in Laborexperimenten als vielversprechend erwiesen haben. „Die Abläufe der Resistenzevolution sind grundsätzlich vergleichbar, unabhängig davon, ob es sich um ein Laborexperiment mit einem bestimmten einzelnen Bakterium oder die Behandlung einer bakteriellen Infektion bei Patientinnen oder Patienten handelt“, betont Professor Hinrich Schulenburg, Leiter der CAU-Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik. „Daher wollen wir in künftigen Studien prüfen, inwiefern zum Beispiel das Prinzip der sogenannten kollateralen Sensitivität, bei der die Resistenzbildung eines Keims gegen einen Wirkstoff ihn zugleich empfindlich gegenüber einem zweiten Medikament macht, möglicherweise auch in der komplexeren Situation des Behandlungsalltags auftritt“, so Schulenburg weiter.
Originalveröffentlichung
Leif Tueffers, Camilo Barbosa, Ingrid Bobis, Sabine Schubert, Marc Höppner, Malte Rühlemann, Andre Franke, Philip Rosenstiel, Anette Friedrichs, Annegret Krenz-Weinreich, Helmut Fickenscher, Burkhard Bewig, Stefan Schreiber and Hinrich Schulenburg; "Pseudomonas aeruginosa populations in the cystic fibrosis lung lose susceptibility to newly applied beta-lactams within 3 days"; Journal of Antimicrobial Chemotherapy; 2019