Kieler Möbius-Preis geht an US-Mikrobiomforscher
© Christian Urban, Uni Kiel
‚Fehlende Mikroben‘ und die Erhaltung der mikrobiellen Vielfalt
Martin Blaser, der das ‚Center for Advanced Biotechnology and Medicine (CABM, Deutsch: Zentrum für Biotechnologie und Medizin)‘ an der Rutgers University leitet, gilt weltweit als einer der einflussreichsten Wissenschaftler auf dem Gebiet der menschlichen Mikrobiomforschung. Ein zentrales Ergebnis seiner Untersuchungen der Beziehungen des menschlichen Körpers mit den auf und in ihm lebenden Kleinstlebewesen ist die Beschreibung des Rückgangs an mikrobieller Biodiversität: Die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms ist in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend artenärmer und weniger divers geworden. In diesen zum Beispiel durch die intensive weltweite Antibiotikanutzung oder die Hygienestandards des westlichen Lebensstils verlorengegangen Mikroorganismen sieht Blaser eine Hauptursache für die starke Zunahme der sogenannten Umwelterkrankungen.
„Diese fehlenden Mikroben könnten den Schlüssel liefern, um zivilisatorisch bedingte Krankheiten wie Diabetes, Morbus Crohn oder chronische Entzündungskrankheiten künftig behandeln und heilen zu können“, erklärt Professor Thomas Bosch, Sprecher des SFB 1182. Ein wichtiges Ziel für die biologische und medizinische Forschung ist es daher, die mikrobielle Vielfalt insgesamt zu sichern und für die Zukunft zu bewahren. „Für das Forschungsfeld des SFB 1182 ist Blasers Pionierarbeit zur Bedeutung der verlorengegangenen Mikroben von zentraler Bedeutung. Sie macht ihn in beispielhafter Weise zu einem verdienter Träger unseres Möbius-Preises“, so Bosch weiter.
Das ‚Microbiota Vault‘-Projekt
Um dem problematischen Rückgang mikrobieller Vielfalt Herr zu werden und ihrer dauerhaften Konservierung in Zukunft näher zu kommen, hat Blaser gemeinsam mit Professorin Maria Gloria Dominguez-Bello, ebenfalls von der Rutgers University, und internationalen Partnerinstitutionen eine globale Initiative ins Leben gerufen: Mit dem sogenannten ‚Microbiota Vault‘ (Deutsch: Mikroorganismen-Speicher) wollen sie eine technische Einrichtung schaffen, mit der die dauerhafte Speicherung und Konservierung einer möglichst großen Bandbreite an Mikroorganismen möglich wird, die potenziell für die menschliche Gesundheit wichtig sein könnten.
Prinzipiell ist das Projekt mit dem bekannten ‚Global Seed Vault‘ (Deutsch: Globales Saatgut-Lager) im norwegischen Spitzbergen vergleichbar, das die Konservierung der globalen Nutzpflanzenvielfalt zum Ziel hat. In einem in der Arktis gelegenen Speichersystem sind dort tiefgefrorene Samen einer großen Zahl wichtiger Nutzpflanzenarten katastrophensicher eingelagert.
Nach einem ähnlichen Prinzip wollen die Mitglieder des neuen ‚Microbiota Vault‘-Projekts, dessen Leiterin Dominguez-Bello ist, künftig zahlreiche Arten von Mikroorganismen einfrieren und ebenso sicher für die Zukunft bewahren. Aktuell läuft eine technische Machbarkeitsstudie, zu der auch die Uni Kiel im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science (KLS) beiträgt. In einem nächsten Schritt wollen die beteiligten Wissenschaftler mit Hilfe ihrer internationalen Partnerinstitutionen wichtige Arten und Gemeinschaften von Mikroben identifizieren und einsammeln. Eine wichtige Rolle wird dabei insbesondere Regionen zukommen, deren mikrobielle Diversität noch nicht durch die Auswirkungen des industriellen Lebensstils verarmt ist. Die eigentliche Umsetzung des Vorhabens ist ab dem kommenden Jahr geplant.