Neue Funktion von antibiotikaresistenten Bakterien entdeckt

Bakterielles Protein beeinträchtigt wichtige Zellprozesse

19.11.2019 - Deutschland

Verletzte Hautpartien sind bevorzugte Nischen für das Bakterium Pseudomonas aeruginosa, das Heilungsprozesse von Gewebe beeinträchtigt und Infektionen fördert. Aufgrund seiner Resistenz gegen die meisten verfügbaren Antibiotika wurde das Bakterium in die Kategorie „Priorität 1/kritisch“ der globalen Liste der Krankheitserreger der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgenommen. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Winfried Römer von der Universität Freiburg hat nun eine neue Funktion für das Pseudomonas aeruginosa-Lektin LecB entdeckt: Dieses kann den Zellzyklus blockieren, sodass die Wirtszellen sich nicht mehr teilen und sterben. Wundheilungen verzögern sich dadurch maßgeblich oder setzen komplett aus.

AG Römer

Pseudomonas aeruginosa-Lektin LecB kann den Zellzyklus blockieren.

Der bakterielle Virulenzfaktor LecB von Pseudomonas aeruginosa beeinträchtigt Wachstumsfaktorrezeptoren, also die Proteine, die sich an der Oberfläche der Wirtszelle befinden und Signale zur Förderung von Wachstum und Vermehrung von Zellgewebe übertragen. Als Folge davon wird dann der Zellzyklus blockiert.

Lektine sind Proteine, die an die Zuckereinheiten von Rezeptoren binden und keine katalytische Aktivität besitzen, sodass sie chemische Prozesse nicht beschleunigen. Zahlreiche Bakterien nutzen Lektine, um sich effizient an Epithel- und Endothelzellschichten zu binden, die Körperflächen auskleiden, und so die Gewebebesiedlung erleichtern. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das bakterielle Lektin LecB in chronisch infizierten menschlichen Wunden vorhanden ist, wodurch Pseudomonas aeruginosa dort verbleiben kann. Darüber hinaus haben die Forschenden gezeigt, dass LecB in der Lage ist, die Internalisierung, also die Aufnahme in das Zellinnere, und den Abbau von Wachstumsfaktorrezeptoren in Keratinozyten, einem Zelltyp der Epidermis, zu erzeugen. Normalerweise aktiviert die Bindung von Wachstumsfaktoren an Wachstumsfaktorrezeptoren so genannte Downstream-Signalwege, die das Gewebewachstum beschleunigen. „Wir waren überrascht, dass LecB nicht zur Aktivierung der Wachstumsfaktor-Signalwege führt, sondern diese stille Rezeptorinternalisierung ohne Aktivierung auslöst“, sagt die Freiburger Forscherin Alessia Landi, Erstautorin der Studie.

Die Wissenschaftler zeigten zudem, dass LecB den Zellzyklus blockiert und den Zelltod auslöst. Dem geht eine starke Vakuolisierung, die Bildung von mehreren, von einer Membran umschlossenen, größeren Räumen innerhalb der Wirtszellen, voraus. Diese Vakuolen, die besondere morphologische Eigenschaften aufweisen, stammen aus Strukturen der Plasmamembran, in denen LecB angereichert ist. „Obwohl Lektine frei von katalytischer Aktivität sind, scheint LecB wichtige Wirtszellprozesse wie den Zellzyklus auf bisher unbekannte Weise zu stören“, schlussfolgert Römer. „Das passiert wahrscheinlich durch eine von LecB ausgelöste Umorganisation der Zellmembran.”

Die Entdeckung dieser neuartigen Funktion des Pseudomonas aeruginosa-Lektins LecB motiviert das Team zu weiteren Untersuchungen. Es sei möglich, erklärt Römer, dass LecB auch bei anderen Zelltypen, einschließlich Immunzellen, wirke, Gewebeschäden weiter fördere und die Ausbreitung von Bakterien erleichtere. Zukünftige Arbeiten sollen daher neue Erkenntnisse über die Auswirkungen von LecB auf die Immunantwort bei chronischen Wundinfektionen liefern.

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