Wichtige Kenngrößen in der Genforschung jahrelang falsch berechnet?
Die Körpergröße eines Menschen, der Erwerb von Krankheiten, die Resistenz von Nutzpflanzen gegen Trockenheit oder Schädlinge, die Milchleistung einer Kuh – auch wenn diese Beispiele auf den ersten Blick nicht allzu viel miteinander gemein haben, vereint sie alle, dass die genannten Eigenschaften von umweltbedingten, aber nicht zuletzt auch von genetischen Faktoren abhängen. Wie hoch genau ist jedoch der genetische Anteil an den jeweiligen Merkmalsausprägungen? Dieser Frage haben sich die Mathematiker Dr. Nicholas Schreck und Prof. Dr. Martin Schlather vom Lehrstuhl für Angewandte Stochastik an der Universität Mannheim zusammen mit dem Biostatistiker Prof. Dr. Hans-Peter Piepho von der Universität Hohenheim in einem interdisziplinären Forschungsprojekt gewidmet und dabei erstaunliche Entdeckungen mit potentiell weitreichenden Konsequenzen gemacht.
Ihre Ergebnisse, die die Forschergruppe in der Fachzeitschrift Genetics veröffentlicht hat, zeigen, dass viele der weit verbreiteten und bislang vielfach benutzten Verfahren zur Bestimmung des genetischen Anteils systematische Fehler aufweisen. Aufgrund dessen haben die drei Wissenschaftlicher ein neues Verfahren entwickelt, das diese systematischen Fehler behebt. Das Ergebnis: Bei ersten Vergleichen zwischen den Verfahren haben sich enorme Abweichungen ergeben.
Die Resultate der Studie werfen viele Fragen auf. Abhängig davon, welche und wie viele Studien zur Vererbbarkeit von einer deutlichen Korrektur betroffen sind, können die Ergebnisse der Forschergruppe die Behandlung von Krankheiten und viele Selektionsentscheidungen im Bereich der Pflanzen- und Tierzucht nachträglich und zukünftig maßgeblich beeinflussen, so die Meinung der Forscher. „Möglicherweise haben Landwirte, die auf die bisherige Methode setzten, Pflanzen nicht optimal gezüchtet oder Tiere nicht optimal behandelt“, vermutet Dr. Nicholas Schreck, der die Studie geleitet hat. Beispiel Landwirtschaft: Es sei denkbar, dass die alte Methode in der Vergangenheit dazu geführt habe, dass Landwirte nicht die resistentesten Weizensorten auswählten oder nicht auf den optimalen Bullen setzten, um milchstarke Kühe zu züchten.
Um diese und ähnliche Fragen zu klären, planen die Wissenschaftler derzeit weitere Studien. In einer davon will die Forschergruppe unter anderem auch die Verfahren unter die Lupe nehmen, die bei medizinischen Behandlungen von Menschen angewendet wurden.
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