Babys im Mutterleib von Umweltöstrogenen belastet

14.10.2019 - Schweiz

Das frühkindliche Leben im Mutterleib ist besonders empfindlich für die Wirkung von Umweltschadstoffen. Ein Team der Empa und der Universität Wien konnte nun erstmals nachweisen, wie sich ein Schadstoff aus Lebensmitteln - das Umweltöstrogen Zearalenon - im Mutterleib verbreitet und zu bedenklichen Stoffwechselprodukten umgewandelt wird.

University of Vienna

Das Lebensmittelöstrogen Zearalenon wandert durch die Plazenta, wie Forschende der Universität Wien und der Empa nun erstmals zeigen konnten.

Fremdöstrogene werden über die Umwelt, insbesondere über die Nahrung, aufgenommen. Sie können als östrogenartige Substanzen den körpereigenen Hormonhaushalt tiefgreifend beeinflussen. Das weit verbreitete Lebensmittelöstrogen Zearalenon wird von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet und gelangt vor allem über den Speiseplan mit Brot oder Müsli in unseren Körper.

«Die Plazentaschranke bietet dem ungeborenen Kind einen gewissen Schutz gegenüber Bakterien, Viren und manchen Fremdstoffen wie zum Beispiel bestimmten Medikamenten oder vom Körper aufgenommene Umweltgifte. Doch Zearalenon wandert, wie wir nun erstmals zeigen konnten, durch die Plazenta hindurch», sagt Benedikt Warth vom Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien.

Einzigartiger Mutterkuchen

Der Weg von Zearalenon durch den Mutterleib konnte bei Analysen ermittelt werden, für die voll funktionierende Plazenten, die nach geplanten Kaiserschnitten zur Verfügung standen, genutzt wurden. «Es ist entscheidend, menschliche Plazenten zu verwenden, um aussagekräftige Resultate zum Transport und Stoffwechsel von Zearalenon zu erhalten», sagt Empa-Forscherin Tina Bürki vom Particles-Biology Interactions-Labor in St. Gallen. «Der Grund sind die Eigenschaften des menschlichen Mutterkuchens, weil Struktur, Funktion und metabolische Kapazität einzigartig und spezifisch sind."

Die Forscher ermittelten nicht nur die Konzentrationen von Zearalenon im Gewebe der Plazenta selbst. Sie simulierten mittels einer Nährlösung vor Eintritt und nach Austritt aus der Plazenta auch den Bereich des Stofftransports, dem der Fötus ausgesetzt ist. Gleichzeitig konnten sie die verschiedenen Stoffwechselprodukte untersuchen, die durch Enzyme in der Plazenta gebildet werden.

70-fach erhöhte Aktivität

«Sobald wir Umweltstoffe aufnehmen, werden diese im Körper über unseren Stoffwechsel in der Regel entgiftet und ausgeschieden. Es gibt aber auch Enzyme, die diese Substanzen noch stärker aktivieren», sagt Bürki. So auch in diesem Fall: Die Plazenta bildet aus Zearalenon ein neues Stoffwechselprodukt mit einer etwa 70-fach höheren Östrogenaktivität. Selbst geringe Konzentrationen könnten damit schon einen grösseren Effekt auf das Kind im Mutterleib haben als bisher angenommen. «Diese Erkenntnis sollte in künftigen Risikobewertungen berücksichtigt werden – auch wenn die Grenzwerte schon jetzt in Kindernahrung und Muttermilchersatzprodukten strenger geregelt sind als für normale Produkte und die EU die weltweit niedrigsten Grenzwerte eingeführt hat», so Benedikt Warth.

Das körpereigene Gleichgewicht der Hormone ist sehr sensibel. Man geht davon aus, dass sich eine frühe Exposition mit Fremdöstrogenen viele Jahrzehnte später auf verschiedene Erkrankungen wie Brust- oder Gebärmutterhalskrebs, aber auch auf andere Symptome wie eine verfrühte Pubertät oder Unfruchtbarkeit auswirken könnte. «Bis weitere Forschungsergebnisse vorliegen, kann man lediglich zu einer abwechslungsreichen Ernährung raten, um die Belastung mit den Giftstoffen zu reduzieren», so das Autorenteam.

Mit der Analysemethode können über 50 verschiedene Fremdöstrogene in biologischen Proben simultan nachgewiesen werden. «Unsere Methode umfasst praktisch alle wichtigen Fremdstoffe, die auf das östrogene System wirken. Das beinhaltet auch zahlreiche andere Substanzen, über die aktuell viel diskutiert wird, wie Bisphenol A oder Pestizide», so Warth. Mit der neuen analytischen Methode erhoffen sich die Forscher, künftig die Exposition und kombinatorischen Wirkungen von Umweltschadstoffen im menschlichen Körper besser untersuchen zu können.

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