Chaperone erkennen unfertige Signalmoleküle im Immunsystem
Qualitätskontrolle in der Immunkommunikation
Sina Bohnacker / TUM
Gelangen Krankheitserreger in den Organismus, muss die körpereigene Abwehr rasch reagieren. Die Eindringlinge werden von den weißen Blutkörperchen identifiziert; diese geben die Information an andere Immunzellen weiter. Dazu schütten sie Interleukine – komplexe Signalproteine – aus, die an passende Rezeptoren in den Empfängerzellen andocken und diese Zellen zum Beispiel dazu bringen, sich intensiv zu vermehren und Abwehrmoleküle freizusetzen.
Qualitätskontrolle hält unfertige Moleküle fest
Forscher der TUM, des Helmholtz Zentrums München und der Universität Stanford haben nun am Beispiel von Interleukin 23 gezeigt, wie die Zellen dafür sorgen, dass die Interleukin-Signalproteine korrekt aufgebaut werden. „Interleukin 23 steht zurzeit im Mittelpunkt intensiver Forschung, weil es nicht nur eine große Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern spielt, sondern auch selbst Autoimmunkrankheiten auslösen kann,“ erklärt Matthias Feige, Professor für Zelluläre Proteinbiochemie an der TUM und Leiter des Forschungsprojekts.
Interleukin 23 besteht aus zwei Proteinen, die sich in der Zelle zu einem aktiven Komplex verbinden müssen, um die gewünschten Signale auslösen zu können. Wie die Wissenschaftler gezeigt haben, halten sogenannte Chaperone den mit IL23-alpha bezeichneten Teil des Interleukins so lange in der Zelle fest, bis er in den vollständigen Komplex eingebaut ist. So stellt die Zelle sicher, dass sie kein unverbundenes IL23-alpha abgibt, und steuert damit die Biosynthese dieses wichtigen Interleukins. Chaperone sind selbst Proteinmoleküle – molekulare Maschinen – die dafür sorgen, dass andere Proteine korrekt aufgebaut werden.
„Wir konnten zeigen, dass das unverbundene IL23-alpha gewissermaßen offene chemische Bindungen hat, an die das Chaperon andocken kann,“ erläutert Feige. Im vollständigen Interleukin 23 sind diese Bindungen geschlossen, sodass das Chaperon keinen Angriffspunkt mehr findet und das Gesamtmolekül die Zelle verlassen kann.
Gezielt in die Immunzellkommunikation eingreifen
Da das IL23-alpha alleine nicht außerhalb der Zellen auftritt, war unklar, ob es selbst auch das Immunsystem beeinflussen kann. Das konnten die Forscher mit einer geringfügig modifizierten Version des Moleküls überprüfen, die sie zunächst am Computer entworfen und anschließend im Labor hergestellt haben. In dieser neuen Molekülvariante waren die Bindungen, an die das Chaperon hätte binden können, geschlossen.
„Die veränderten Moleküle können die Zelle ungehindert verlassen“, sagt Susanne Meier, Erstautorin der Studie. „Sie binden dann an dieselben Rezeptoren wie das vollständige Interleukin 23 und lösen dort eine ähnliche Reaktion aus – wenn auch in abgeschwächter Form.“ IL23-alpha kann demnach auch als Signalmolekül fungieren, wenn man es mit molekularem Engineering verändert und so die Qualitätskontrolle in der Zelle umgeht.
„Es ist möglich, dass die modifizierten Moleküle noch an weitere Rezeptoren in Immunzellen binden und diese in einer noch unbekannten Weise beeinflussen“, erklärt Feige. „Das wollen wir als nächstes untersuchen“. Die Ergebnisse könnten Grundlage von Medikamenten werden, die mit modifizierten Interleukinen gezielt in das Immunsystem eingreifen.