Kinobilder aus lebenden Zellen
Forscherteam verbessert superauflösende Mikroskopie
Bielefeld University/ W. Hübner
Computerspielern verhilft die Grafikkarte sonst zu einem tollen Spiele-Erlebnis. Die Forscher nutzen sie, um kleinste Zellbestandteile in Aktion zu beobachten — in Echtzeit und mit einer sehr hohen Bildfrequenz. „Die Bilddaten lassen sich etwa zwanzigmal schneller rekonstruieren als dies auf einem PC dauern würde“, erläutert Rainer Heintzmann vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), der bereits 1998 die Grundlagen zum Verfahren der strukturierten Beleuchtung in der Hochauflösungsmikroskopie legte. Gemeinsam mit ihm baute das Bielefelder Forscherteam um Prof. Thomas Huser die Technik der superauflösenden strukturierten Beleuchtungsmikroskopie (Super-Resolved Structured Illumination Microscopy, SR-SIM) nun weiter aus.
Bei dem fluoreszenzmikroskopischen Verfahren SR-SIM werden Objekte über ein spezielles Muster mit Laserlicht bestrahlt. Es regt besondere, fluoreszierende Moleküle in der Probe an, sodass sie Licht in einer anderen Wellenlänge wieder abgeben. Die mikroskopische Aufnahme zeigt dann dieses abgestrahlte Licht. Es wird zunächst in mehreren Einzelbildern aufgenommen und dann als hochaufgelöstes Bild auf einem Computer rekonstruiert. „Vor allem der zweite Schritt hat bisher sehr viel Zeit gekostet“, sagt Andreas Markwirth von der Universität Bielefeld, der Erstautor der Studie. Indem sein Forscherteam für das neue Mikroskop Parallelrechner-Verfahren auf modernen Grafikkarten einsetzt, konnte es die Bildrekonstruktion nun deutlich beschleunigen. Eine minimale Verzögerung von 250 Millisekunden sei für das menschliche Auge fast nicht wahrnehmbar. Auch die Rohdaten lassen sich mit dem neu erforschten Mikroskop schneller erzeugen.
Strukturen, die für herkömmliche Mikroskope unsichtbar sind
„Das macht es möglich, Proben schnell zu vermessen und bereits während eines Experiments Versuchsbedingungen sofort anzupassen, anstatt diese erst im Nachhinein auswerten zu können“, beschreibt Rainer Heintzmann den praktischen Nutzen der neuen Technik.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler das Verfahren an biologischen Zellen getestet und die Bewegungen von Mitochondrien aufgezeichnet, den etwa einen Mikrometer kleinen Energiezentren der Zellen. „Wir konnten ungefähr 60 Einzelbilder pro Sekunde erzeugen – das ist eine höhere Bildfrequenz als bei Kinofilmen. Zwischen Messung und Bild liegen weniger als 250 Millisekunden, daher erlaubt die Technik Echtzeitaufnahmen“, so Andreas Markwirth.
Bisher werden superauflösende oft mit herkömmlichen Verfahren kombiniert: Ein herkömmliches schnelles Mikroskop wird genutzt, um Strukturen zunächst zu finden. Danach können diese Strukturen über ein superauflösendes Mikroskop im Detail untersucht werden. „Manche Strukturen sind aber so klein, dass sie mit herkömmlichen Mikroskopen gar nicht erst gefunden werden können, zum Beispiel spezielle Poren in Leberzellen. Unser Verfahren ist sowohl hochauflösend als auch schnell – das ermöglicht Biologinnen und Biologen, solche Strukturen zu erforschen“, so Thomas Huser. Eine andere Anwendung für das neue Mikroskop ist die Untersuchung von Virenpartikeln auf ihrem Weg durch die Zelle. „So können wir nachvollziehen, was bei Infektionsprozessen genau passiert“, sagt Huser.
Superauflösende Mikroskope gibt es erst seit etwa 20 Jahren. Ernst Abbe hatte 1873 herausgefunden, dass die Auflösung eines optischen Systems für sichtbares Licht auf etwa 250 Nanometer begrenzt ist. In den vergangenen Jahren wurden jedoch gleich mehrere optische Verfahren entwickelt, um die Abbesche Auflösungsgrenze zu unterschreiten. Für die Entwicklung einer Superauflösung im Bereich von etwa 20 bis 30 Nanometer erhielten die US-Amerikaner William E. Moerner und Eric Betzig sowie der Deutsche Stefan Hell 2014 den Nobelpreis für Chemie.