Wie geschickt Proteine zusammenarbeiten

21.08.2019 - Schweiz

Bisher wusste man nur wenig über die für unsere Gesundheit so wichtige Zellteilung. Nun hat eine ETH-Forschungsgruppe erstmals alle daran beteiligten Proteine isoliert und untersucht – und damit die Basis für die Erforschung vieler Krankheiten geliefert.

ETH Zürich / Adrian Henggeler

Welche Proteine sind unentbehrlich für die Zellteilung? Der Biochemiker Philipp Wild (links) und seine Kollegen Ilaria Piazza und Christian Dörig schauen sich die Ergebnisse aus dem Massenspektrometer an.

In unserem Körper entstehen durch Teilung ständig neue Zellen, die ältere oder verletzte Zellen ersetzen. Dabei wird auch die Erbinformation verdoppelt und an die neuen Zellen weitergegeben. Für einen reibungslosen Ablauf sorgt ein ausgeklügeltes Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Proteinen. Und zwar, indem diese Proteine allfällige Fehler, die sich bei der DNA-Verdoppelung einschleichen, sogleich reparieren. Dieselbe Proteinmaschinerie erfüllt aber noch eine andere Aufgabe: Bei Geschlechtszellen – Eizellen und Spermien – ist sie während der Zellteilung für die Vermischung der Erbinformationen von ursprünglich mütterlicher und väterlicher Seite verantwortlich. Derselbe Mechanismus muss also zwei gegensätzliche Aufgaben lösen: Bei der normalen Zellteilung, Mitose genannt, sorgt er für genetische Konservierung, bei der Produktion von Geschlechtszellen, der Meiose, hingegen für genetische Vielfalt.

Beide Aufgaben sind lebenswichtig. Funktioniert die DNA-Reparatur in der Mitose nicht, kann das zu Krebs und weiteren Erkrankungen führen. Läuft dagegen der Austausch von DNA bei der Meiose nicht korrekt ab, schädigt das die Fruchtbarkeit und die Gesundheit der Nachkommen. «Obschon diese Prozesse für unsere Gesundheit so wichtig sind, wusste man bisher kaum, wie das Ganze funktioniert und reguliert wird», sagt Joao Matos, Professor für Biochemie an der ETH Zürich. Zusammen mit seinem Team hat er nun die verantwortlichen Proteine untersucht und herausgefunden, wie sie zwischen den beiden Aufgaben unterscheiden.

Ein aufwändiges Unterfangen

Dazu haben die Forscher im Labor zunächst eine grosse Anzahl von Hefezellen gezüchtet. Denn in den Zellen ist jeweils nur eine sehr geringe Menge der beteiligten Proteine enthalten. Die Produktion der Hefezellen war darum extrem aufwändig: In 120 Behältern à 6 Litern kultivierten die Forscher Zellen so, dass die Teilung in allen Hefezellen gleichzeitig ablief. Denn Mitose und Meiose sind hochkomplexe Prozesse, die in genau orchestrierten Phasen ablaufen. Darum lässt sich nur in synchronisierten Zellkulturen unterscheiden, in welcher Phase welche Proteine wichtig sind und wie diese zusammenarbeiten.

Schon zuvor war bekannt, dass bei Hefe, aber auch bei Pflanzen, Tieren und beim Menschen, eine Gruppe von sieben Enzymen an der Vervielfältigung von DNA beteiligt ist: die sogenannten RIPEs (Rekombinationsintermediate prozessierende Enzyme). Diese RIPEs konnten die ETH-Forscher nun erstmals aus den Zellkulturen isolieren und im Massenspektrometer identifizieren – jeweils aus einer spezifischen Phase der Zellteilung. Zugleich identifizierten sie mit dieser Methode eine Reihe weiterer Proteine, die helfen, die Zellteilung zu regulieren.

Die gleichen Komponenten neu verdrahtet

So gelang es Joao Matos und seinem Team schliesslich aufzuzeigen, welche RIPEs für welche Phase der Zellteilung wichtig sind und welche Hilfsproteine jeweils mit den RIPEs interagieren. Ein erstes überraschendes Ergebnis: Die Menge der RIPEs bleibt in allen Phasen von Mitose und Meiose fast konstant. «Die Zellen regulieren die Zellteilung und DNA-Reparatur also nicht wie viele andere Prozesse über die Produktion der beteiligten Proteine», sagt Matos. Stattdessen interagieren die Hilfsproteine jeweils gezielt mit den RIPE-Enzymen, um sie in einer spezifischen Phase ein- oder auszuschalten. «Alle Komponenten sind immer da, werden aber je nach Aufgabe neu verdrahtet», sagt der ETH-Professor.

So erkannten die Forscher zum Beispiel, dass drei der RIPEs, die in den meisten Phasen mit sehr vielen Helfern interagieren, just in der sogenannten Metaphase der Meiose – nämlich dann, wenn die mütterliche und väterliche DNA durchmischt wird – fast alle Interaktionspartner verlieren. Im Gegenzug bildet sich zu diesem Zeitpunkt ein anderer Proteinkomplex. «Dieser muss demnach für das Vermischen der mütterlichen und väterlichen DNA zuständig sein», folgert Matos. Zudem haben die ETH-Forscher eine Menge an neuen Helferproteinen identifiziert, deren Rolle zuvor noch nicht bekannt war.

Schlüssel zu Krankheitsverständnis

Die Ergebnisse aus dem Hefezellen lassen sich auch auf den Menschen übertragen. Denn für jedes der beteiligten Hefe-Proteine gibt es eine Entsprechung im Menschen, die gleich oder sehr ähnlich funktioniert. Darum können die Forscher um Matos sowie andere Wissenschaftler auf diesen Erkenntnissen aufbauen. Sie können nun gezielt einzelne Proteine untersuchen, um zu erkennen, ob und wie sie an der Entwicklung von Erkrankungen beteiligt sind – um schliesslich ein Mittel dagegen zu finden.

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