Wenn Hefen miteinander reden
Hefe-Kommunikation für biotechnologische Prozesse modifizieren
© Dr. Stefan Hennig, IfG
© Andreas Hoffmann
Man könnte es ein mikrobiologisches Gespräch nennen: Über Pheromone, kurze Eiweiße, teilen Hefezellen einander ihre Paarungstypen – in gewisser Weise mit Geschlechtern vergleichbar – mit. Die Pheromone aktivieren bei Hefen entgegengesetzter Paarungstypen Rezeptoren, spezielle Empfängermoleküle auf der Zelloberfläche. Diese senden ein Signal in die Zelle und starten damit ein umfangreiches Programm – darunter die Aktivierung von Promotoren, genetischen Schaltern, die bestimmte Gene regulieren. Am Institut für Genetik der TU Dresden machte die Arbeitsgruppe um Dr. Kai Ostermann dieses Pheromonsystem in den letzten Jahren für technische Anwendungen nutzbar.
Hefen sind für solche Anwendungen gut geeignet; sie sind sehr robust, ihre Physiologie ist gut verstanden und viele molekularbiologische Techniken sind verfügbar. Zudem sind sie einfach kultivierbar und wachsen schnell. Dr. Ostermanns Arbeitsgruppe stellte aus den Hefen bereits Sensorzellen her, die auf einen Reiz aus der Umwelt reagieren, beispielsweise mit der Herstellung eines fluoreszierenden Proteins. Auch als Schadstoffbekämpfer können Hefen eingesetzt werden, indem sie Enzyme herstellen, die Schadstoffe wie Antibiotika abbauen.
Das pheromonbasierte Kommunikationssystem soll nun für komplexere Anwendungen modifiziert werden: Hefen können unterschiedliche Funktionen und Leistungen erbringen. Die Projektgruppe will mehrere Hefepopulationen in einer kontrollierten Kommunikation vereinen. Diese Zusammenschlüsse verschiedener Zelltypen – mikrobielle Konsortien – sollen schließlich autonom unterschiedliche Aufgaben in Produktionsprozessen wahrnehmen. „Hefen erbringen mitunter sehr spezifische Stoffwechselleistungen“, führt Dr. Ostermann aus. „Wenn wir verschiedene Hefestämme mit unterschiedlichen Stoffwechselleistungen in kontrollierte Verbindungen bringen, könnte man auch komplexe Stoffumwandlungen in biotechnologischen Prozessen herbeiführen.“
Dem Team ist es kürzlich bereits gelungen, Hefen verschiedener Arten kontrolliert kommunizieren zu lassen. Das gemeinsame Projekt des Instituts für Genetik und der Professur für Bioverfahrenstechnik um Prof. Thomas Walther und Sen.-Prof. Thomas Bley hat damit die Grundlagen zur Übertragung dieser Hefekommunikation auf biotechnologische Prozesse erarbeitet.
Dr. Ostermanns Team entwickelte biologische Module, die gezielt das Wachstum von Hefezellen beeinflussen. Die Forscher arbeiteten sowohl mit der Hefeart Saccharomyces cerevisiae – der Bäckerhefe – als auch der verwandtschaftlich weit entfernten Spalthefe Schizosaccharomyces pombe, welche in Afrika zum Brauen von Hirsebier genutzt wird. Die entwickelten Module steuern beispielsweise die Bildung von DNA-schneidenden Enzymen, die das Wachstum der Zellen stark vermindern können. Zudem wurden Module mit dem gegensätzlichen Effekt generiert: deren Expression führte erst zum Wachstum der vorher "ruhenden" Zellen.
Um die erfolgreichen Experimente vom Labormaßstab auf biotechnologische Prozesse zu übertragen, entwickelte die Arbeitsgruppe der Bioverfahrenstechnik um Prof. Walther und Prof. Bley ein mathematisches Rahmenmodell, das die Wachstumsdynamiken der Konsortien detailliert beschreiben kann. In Experimenten in Bioreaktoren erhoben die Wissenschaftler Daten zu Wachstumsverlauf, Stoffwechselaktivität, Proteinexpression und Zusammensetzung der Populationen. Die abgeleiteten mathematischen Modelle erlauben es, die Zellen und Subpopulationen im Reaktor kontrolliert anzusteuern. „Mit dem Instrumentarium der Bioverfahrenstechnik haben wir beobachtet, wie sich die entwickelten Hefen im großen Maßstab verhalten, wie sie auf entsprechende Triggersignale, insbesondere Pheromone, reagieren, und das in den mathematischen Modellen mit abgebildet“, resümiert Prof. Bley. "Unser Modell bezieht sowohl einzelne Zellen als auch ganze Subpopulationen ein. Dadurch gibt es die Möglichkeit, detaillierte Beobachtungen bei Einzelzellen auf technisch relevante Maßstäbe hochzurechnen“, hebt Prof. Walther hervor.
Die Ergebnisse des Projektes könnten beispielsweise in Prozessen zum Einsatz kommen, bei denen mehrere Stoffumwandlungen notwendig sind. "Wir hoffen, dass unsere Arbeiten dazu beitragen, die Möglichkeiten für neue, komplexe biotechnologische Prozesse zu eröffnen", sagt Dr. Ostermann.