Schaum für die Wunde
Narbenbildung verhindern
Empa
Eine Narbe am Ellbogen, die bei jeder Bewegung spannt, oder ein Fuss, an dem sich eine Wunde einfach nicht schliessen will – schlecht heilende Verletzungen sind eine verbreitete Ursache von gesundheitlichen Einschränkungen. Und obwohl Millionen von Menschen in ihrem Alltag betroffen sind, ist der komplexe Prozess der Wundheilung noch nicht vollständig verstanden oder gar steuerbar. Empa-Forscher haben daher einen Schaumstoff entwickelt, der in Hautwunden platziert wird und den natürlichen Heilungsprozess optimiert. Mit dem Projekt «Scaravoid» haben Markus Rottmar und sein Team im «Biointerfaces»-Labor der Empa einen Schritt in eine neue Richtung gewagt. «Traditionelle Behandlungen zielen auf einzelne Faktoren der Wundheilung, etwa die Sauerstoffversorgung oder die Feuchtigkeitsregulation, ab und erzeugen lediglich eine unzureichende Gewebeantwort», erklärt Rottmar. Innerhalb von «Scaravoid», das von der Stiftung Gebert Rüf gefördert wird, soll der Heilungsprozess indes umfassender verstanden und unterstützt werden.
Perfektes Zusammenspiel
Klar ist bisher, dass ein perfekt orchestriertes Zusammenspiel vieler Faktoren im Körper nötig ist, um eine Verletzung der Haut wieder zu schliessen und in gesundes Gewebe umzuformen. Zellen müssen angelockt werden, damit eine wohldosierte Entzündung die Wunde reinigt. Damit sich der gesäuberte Defekt schliesst, wächst neues Gewebe heran, das schliesslich zu funktionsfähiger Haut umgebaut wird. So erstaunlich die Selbstheilungskräfte des Körpers im Idealfall wirken, so empfindlich kann jedoch auch eine Fehlfunktion das Gleichgewicht stören und zu überschiessender Narbenbildung oder unzureichendem Wundverschluss führen. Bei älteren Menschen oder Diabetikern beispielsweise ist das Risiko erhöht, dass die komplexe Kaskade beeinträchtigt wird.
Mit «Scaravoid» greift das Empa-Team nun mit einem bereits für die medizinische Anwendung zugelassenen biologischen Polymergerüst gleich an mehreren Stellen unterstützend in den Vorgang ein. In einem Hochdruckreaktor wird das Polymer mittels superkritischem Kohlendioxid (CO2) aufgeschäumt, wobei die Porengrösse mit Hilfe von Druck und Temperatur fein gesteuert werden kann. Einmal in eine Verletzung platziert, soll das Polymergerüst mit seiner Arbeit beginnen: Einwandernden Zellen bietet es mit seiner offenporigen Architektur ein geeignetes Gerüst, um sich anzusiedeln. Da der Schaumstoff bioabbaubar ist, gestalten die Zellen die angebotene Polymerstruktur nach ihren Bedürfnissen um und bilden ein neues, funktionstüchtiges Gewebe aus.
Natürliche Balance stärken
Damit es dabei jedoch nicht zu unerwünschter Narbenbildung kommt, ist das Polymergerüst mit einer bioaktiven Substanz ausgerüstet, die die Narbenbildung hemmen soll. Hier haben sich die Forscher in der Natur bedient und einen Stoff verwendet, den wir eher aus der Küche kennen als aus dem Spital: Curcumin. Das Pulver der Kurkuma-Wurzel, gelber Ingwer genannt, färbt als Zusatzstoff E100 bestimmte Lebensmittel wie Senf oder Margarine und trägt im Currypulver zum Aroma bei. Als pharmakologische Komponente ist Curcumin hingegen wegen seiner entzündungshemmenden Eigenschaften interessant. Die Empa-Forscher versetzten Zellkulturen mit Curcumin und fanden heraus, dass die Produktion von Biomarkern, die typischerweise in Narben vorkommen, deutlich hinunterreguliert wird.
Ins Gerüst des Schaumstoffs eingebunden ist Curcumin, das nach und nach freigesetzt wird. Es steuert das Verhalten und die Funktion der Zellen, die in das Gerüst einwandern, und soll so die natürliche Balance der Wundheilung unterstützen. Was derzeit in Labortests in Form von kleinen Polymerscheiben analysiert wird, soll in der klinischen Anwendung in Form von grösseren Polymermembranen eingesetzt werden. Die Membranen können dann vom Arzt passend zugeschnitten und im Wundbett platziert werden. Vor allem bei schwerwiegenden Verletzungen, etwa nach Verkehrsunfällen oder starken Verbrennungen, sollen die Membranen die Wundheilung optimieren.