Unsterbliche Planarien: Bessere Stammzellen im Hungerzustand

30.07.2019 - Deutschland

Planarien sind sehr anpassungsfähige Plattwürmer. Sie können einzelne Körperteile nachwachsen lassen und sogar aus einem kleinen Teilstück ihres Körpers einen kompletten Organismus regenerieren. Diese erstaunliche Regenerationsfähigkeit ist auf den somatischen Stammzellpool der Planarien zurückzuführen, der unendlich oft alte oder geschädigte Zellen ersetzen kann. Da in ihrer natürlichen Umgebung oft Phasen der Nahrungsknappheit auftreten, haben sie überdies einzigartige Überlebensstrategien für Hungerphasen entwickelt: Sie schrumpfen und wachsen erst dann wieder, wenn Futter vorhanden ist. Dabei bleibt ihr Stammzellpool immer gleich. Auf Grund dieser Anpassungsfähigkeit finden sie in der Alternsforschung als Modellorganismus Anwendung.

FLI / Magdalena Voll

Nahrungsmangel hat einen positiven Effekt auf den adulten Stammzellpool in Planarien, denn solche Stammzellen weisen eine höhere Telomerlänge auf.

Ein Forscherteam um Dr. Cristina González-Estévez vom Leibniz-Institut für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und dem Spanish National Center for Cardiovascular Research in Madrid, Spanien, hat den Stammzellpool in Planarien im Hungerzustand genauer untersucht. „Die zentrale Frage ist, wie dieser Zustand die somatischen Stammzellen reguliert“, erklärt González-Estévez die Motivation an der Studie. Man wusste bereits, dass ein solcher Zustand einen positiven Einfluss auf Stammzellen hat, aber die grundlegenden molekularen Mechanismen waren bisher noch nicht bekannt. Planarien besitzen aufgrund des hohen Anteils an Stammzellen eine hohe Regenerationsfähigkeit und sind somit ein passendes Modell zur Untersuchung dieser Fragestellung.

Längere Telomere in Stammzellen von Planarien

Telomere sind eine Art Schutzkappen an den Enden von Chromosomen, die diese vor Schädigung und Verschmelzung mit anderen Chromosomen schützen. Diese Schutzkappen werden im Laufe der Zeit mit jeder Zellteilung kürzer. Diese Verkürzung steht im Zusammenhang mit Alternsprozessen und altersassoziierten Krankheiten in verschiedenen Organismen, beispielsweise Mensch oder Maus. Das internationale Forscherteam analysierte die Stammzellen und deren Telomerlänge in Planarien. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass lange Telomere ein Hauptmerkmal von adulten Stammzellen in Planarien sind“, berichtet González-Estévez.

Die Forscher setzten eine Methode mit dem Namen „TelQ-FISH“ (telomere quantitative fluorescence in situ hybridization) ein, um die Länge der Telomere in den Stammzellen von
Planarien im Hungerzustand zu messen. „Diese Methode wurde bisher vor allem an Mäusen verwendet, aber wir haben sie angepasst und erstmals bei Planarien angewendet“, erläutert González-Estévez. „Wir konnten zeigen, dass sich im Hungerzustand die Qualität des Stammzellpools in Planarien verbessert, denn sie weisen dann eine höhere Telomerlänge auf.“

Spezielle Mechanismen im Hungerzustand

Das Forscherteam fand heraus, dass der Hungerzustand zu einer Anreicherung von Stammzellen mit den längsten Telomeren führt. Dieses Phänomen, so die Forscher, hängt vom mTOR-Signalweg ab, der im Hungerzustand herunterreguliert ist. Dies ist ein wichtiger Signalweg, der das Zellwachstum und die Zellteilung kontrolliert und auch im Menschen vorkommt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass im Hungerzustand der mTOR-Signalweg blockiert ist und somit der Anteil von Stammzellen mit längeren Telomere ansteigt. Ist mTOR wiederum hochreguliert, hebt sich der Effekt des Hungerzustands auf die Telomerlänge von Stammzellen wieder auf. Dies weist auf einen verjüngenden Einfluss von Hungerphasen auf die Stammzellen in Planarien hin.

Aber welche Mechanismen stehen hinter diesem Effekt? Die Forscher haben hierauf zwei mögliche Antworten: Es könnte zum einen sein, dass sich im Hungerzustand besonders die Stammzellen mit längeren Telomeren symmetrisch teilen und dadurch zwei neue Stammzellen formen. Zum anderen wäre es möglich, dass sich Stammzellen mit langen Telomeren häufiger selbsterneuern, wenn die mTOR-Signalisierung ausfällt, während Stammzellen mit kurzen Telomeren sterben oder sich ausdifferenzieren.

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den positiven Einfluss von Hungerphasen auf den Stammzellpool und die Telomerlänge; beides Faktoren, die im Zusammenhang mit Langlebigkeit stehen. Weitere Untersuchungen, auch auf Basis der experimentellen Methode dieser Studie, könnten zeigen, ob der Einfluss des mTOR-Signalwegs auf Stammzellen und Telomerlänge auch in anderen Modellorganismen oder dem Menschen nachgewiesen werden kann.

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