Neuer Ausschaltmechanismus für Schalterproteine entdeckt

24.07.2019 - Deutschland

Jahrzehntelang haben Forscher debattiert, welcher von zwei Mechanismen Schalterproteine ausschaltet. Nun kommt ein drittes Szenario ins Spiel.

Einen neuen Mechanismus, mit dem Schalterproteine abgeschaltet werden können, haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der schwedischen Universität in Uppsala entdeckt. Schalterproteine wie das Ras-Protein regulieren viele Prozesse im Körper und sind am Entstehen von Krankheiten wie Krebs beteiligt. Die Forscher um Prof. Dr. Klaus Gerwert und Dr. Till Rudack vom Bochumer Lehrstuhl für Biophysik berichten über den neu entdeckten Mechanismus im Journal of the American Chemical Society.

© RUB, Kramer

Klaus Gerwert, Till Rudack und Carsten Kötting (von links) forschen schon seit Jahren an Schalterproteinen, zu denen auch das hier gezeigte Ras-Protein gehört.

Extrem beschleunigte Reaktionen

Für das Ausschalten vieler Schalterproteine ist das Molekül GTP entscheidend, das an die Proteine gebunden ist. Wird durch eine chemische Reaktion eine der drei Phosphatgruppen von GTP abgespalten, schaltet das Protein auf "aus", was sich auf zelluläre Prozesse auswirkt. "Die Proteine sind dabei extrem effizient und schaffen es, Reaktionen, die normalerweise Milliarden von Jahren dauern können, innerhalb von Sekundenbruchteilen ablaufen zu lassen", sagt Klaus Gerwert.

Am Abschaltprozess ist immer mindestens ein Wassermolekül beteiligt. Bislang gingen Forscher davon aus, dass dieses Wassermolekül aktiviert werden muss - und zwar, indem ein Reaktionspartner ein Proton auf das Wassermolekül überträgt. "Jahrzehntelang wurde darüber gestritten, ob dieser Reaktionspartner das GTP selbst oder ein Teil des Proteins ist", erzählt Carsten Kötting, einer der Autoren aus dem Bochumer Team. "In der aktuellen Studie haben wir überraschenderweise einen komplett neuen Mechanismus entdeckt, bei dem die Aktivierung ohne Übertragung eines Protons funktioniert."

Theorie und Experiment im Vergleich

Mit computergestützten Rechenverfahren untersuchte das Team für sieben verschiedene Schalterproteinsysteme sämtliche Ausschaltmöglichkeiten. Dabei erhielten die Wissenschaftler verschiedene Geschwindigkeiten für den Ausschaltprozess. Die berechneten Geschwindigkeiten verglichen sie mit experimentell durch zeitaufgelöste Infrarotspektroskopie gemessenen Werten.

Während die Werte für die beiden bisher vermuteten Mechanismen stark voneinander abwichen, zeigten Theorie und Experiment für den neu gefundenen Mechanismus die gleichen Ergebnisse - und zwar für alle sieben getesteten Systeme. "Die Übereinstimmung zeigt, dass unser neu entdeckter Abschaltmechanismus allgemeingültig ist und somit für viele zelluläre Prozesse relevant", resümiert Till Rudack.

Mechanismus wichtig bei der Tumorbildung

"Bei Krankheiten liegt häufig ein Defekt des Ausschaltmechanismus von Schlüsselproteinen vor", sagt Till Rudack. "Um die molekularen Vorgänge, die den Krankheiten zugrunde liegen, zu verstehen und Therapien entwickeln zu können, müssen wir den Ausschaltmechanismus verstehen."

Der neu gefundene Ausschaltmechanismus ist zum Beispiel für das Schalten von Ras verantwortlich, einem Protein dessen Fehlfunktion zu unkontrolliertem Zellwachstum bei Tumoren führt. Seit Jahrzehnten versuchen Forscher, einen Wirkstoff zu finden, der das funktionsgestörte Protein Ras in menschlichen Tumoren angreift. "Wir gehen davon aus, dass unser Ergebnis die bislang erfolglose Suche erklären kann", so Klaus Gerwert. "Auf Basis des jetzt richtigen molekularen Ausschaltmechanismus können nun neue Ansatzpunkte für Krebsmedikamente gefunden werden."

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