Wie sich Aufschieber und Macher genetisch unterscheiden
Hausputz, pixabay.com, CC0
Manche Menschen neigen dazu, Handlungen aufzuschieben. Bei Frauen geht dieser Charakterzug mit der genetischen Veranlagung einher, einen höheren Dopaminspiegel im Gehirn zu besitzen. Das fanden Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dresden mit genetischen Analysen und Fragebögen heraus. Bei Männern konnten sie diesen Zusammenhang nicht feststellen. „Der Botenstoff Dopamin ist in der Vergangenheit immer wieder mit einer erhöhten kognitiven Flexibilität in Verbindung gebracht worden“, sagt Dr. Erhan Genç aus der Bochumer Abteilung für Biopsychologie. „Das ist nicht grundsätzlich schlecht, aber geht oftmals mit einer erhöhten Ablenkbarkeit einher.“
In der Zeitschrift Social Cognitive and Affective Neuroscience berichtet Erhan Genç unter anderem zusammen mit Caroline Schlüter, Dr. Marlies Pinnow, Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün, Prof. Dr. Christian Beste und Privatdozent Dr. Sebastian Ocklenburg über die Ergebnisse.
Nur bei Frauen
Die Forschungsgruppe untersuchte die genetische Ausstattung von 278 Männern und Frauen. Sie interessierten sich vor allem für das sogenannte Tyrosinhydroxylase-Gen (TH-Gen). Je nach Ausprägung des Gens besitzen Menschen im Gehirn viel oder wenig Botenstoffe aus der Katecholamin-Familie, zu denen der Botenstoff Dopamin gehört. Außerdem erfasste das Team mit einem Fragebogen, wie gut die Teilnehmer ihre Handlungen kontrollieren können. Frauen mit schlechterer Handlungskontrolle hatten die genetische Anlage für höhere Dopaminlevel.
Dopamin und Handlungskontrolle
Ob jemand dazu neigt, Aufgaben aufzuschieben oder direkt anzugehen, hängt von der individuellen Fähigkeit ab, eine Handlungsabsicht aufrechtzuerhalten, ohne sich von Störfaktoren ablenken zu lassen. Genau hierfür könnte Dopamin entscheidend sein. Der Botenstoff wurde in früheren Studien nicht nur mit erhöhter kognitiver Flexibilität in Zusammenhang gebracht, sondern scheint auch dafür zu sorgen, dass Informationen leichter ins Arbeitsgedächtnis gelangen.
„Wir nehmen an, dass es dadurch schwerer wird, eine einmal gefasste Handlungsabsicht aufrechtzuerhalten“, sagt Doktorandin Caroline Schlüter. „Frauen, die aufgrund ihres Genotyps einen höheren Dopaminspiegel haben, könnten also eher dazu neigen, Handlungen aufzuschieben, weil sie sich stärker von Umwelteinflüssen und anderen Störfaktoren ablenken lassen.“
Empfänglicher für die genetischen bedingten Unterschiede?
Auch frühere Studien haben bereits geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen der Ausprägung des TH-Gens und dem Verhalten zutage gefördert. „Der Zusammenhang ist noch nicht vollständig geklärt, aber das weibliche Sexualhormon Östrogen scheint eine Rolle zu spielen“, erläutert Erhan Genç. Östrogen beeinflusst indirekt die Dopamin-Produktion im Gehirn und erhöht die Anzahl bestimmter Nervenzellen, die auf Signale aus dem Dopaminsystem reagieren. „Frauen könnten also aufgrund des Östrogens empfänglicher für die genetisch bedingten Unterschiede im Dopaminlevel sein, was sich wiederum im Verhalten niederschlägt“, so der Biopsychologe.
Ausblick
In künftigen Studien will das Forschungsteam untersuchen, inwiefern der Östrogenspiegel tatsächlich einen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen TH-Gen und Handlungskontrolle hat. „Hierzu wäre es erforderlich, den Menstruationszyklus und die damit verbundenen Schwankungen im Östrogenspiegel der Teilnehmerinnen genauer unter die Lupe zu nehmen“, erklärt Caroline Schlüter.
Neben Dopamin beeinflusst das TH-Gen auch Noradrenalin, einen weiteren wichtigen Botenstoff aus der Katecholamin-Familie. Die Rolle dieser beiden Neurotransmitter für die Handlungskontrolle wollen die Forscher in weiteren Untersuchungen beleuchten.
Originalveröffentlichung
Caroline Schlüter, Larissa Arning, Christoph Fraenz, Patrick Friedrich, Marlies Pinnow, Onur Güntürkün, Christian Beste, Sebastian Ocklenburg, Erhan Genc; "Genetic variation in dopamine availability modulates the self-reported level of action control in a sex-dependent manner"; Social Cognitive and Affective Neuroscience; 2019