Neuartige Krebs-Diagnostik
Laserlicht spürt Tumore auf
Sven Döring/ Leibniz-IPHT
Bis zu vier Wochen können vergehen, bis Patienten Sicherheit darüber haben, ob bei einer Krebs-Operation wirklich der gesamte Tumor entfernt worden ist. Eine Zeit quälender Ungewissheit - in der sich eventuell verbliebene Tumorzellen bereits wieder vermehren können. Ein Jenaer Wissenschaftlerteam hat nun ein Diagnoseverfahren erforscht, das die bisherige Prozedur revolutionieren könnte: Mit Laserlicht machen die Forscher krebsartiges Gewebe sichtbar. So können sie dem Operationsteam in Echtzeit Informationen liefern, um Tumore und Tumorränder sicher zu identifizieren und zu entscheiden, wie viel Gewebe weggeschnitten werden muss.
Möglich macht dies ein kompaktes Mikroskop, das ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), der Friedrich-Schiller-Universität, des Universitätsklinikums sowie des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena entwickelte. Es kombiniert drei Bildgebungstechniken und erzeugt anhand von Gewebeproben während der Operation räumlich hoch aufgelöste Bilder der Gewebestruktur. Eine Software macht Muster und molekulare Details sichtbar, verarbeitet werden sie mithilfe von künstlicher Intelligenz. Die automatisierte Analyse ist schneller und verspricht ein verlässlicheres Ergebnis als die derzeit übliche Schnellschnitt-Diagnostik, die nur von einem erfahrenen Pathologen ausgewertet werden kann und immer noch nachträglich abgesichert werden muss.
Das optische Diagnose-Verfahren, für das die Jenaer Wissenschaftler 2018 mit dem renommierten Kaiser-Friedrich-Preis ausgezeichnet wurden, hilft zu vermeiden, dass ohnehin geschwächte Patienten sich einer erneuten Operation unterziehen müssen. So trägt es maßgeblich zu dazu bei, ihre Heilungschancen zu verbessern. In fünf Jahren könnte das kompakte Mikroskop in der Klinik stehen, prognostiziert Professor Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT, der den Laser-Schnelltest mit erforschte.
Dem deutschen Gesundheitssystem könnte das erhebliche Kosten einsparen. "Eine Minute im Operationssaal ist die teuerste Minute im gesamten Klinikbetrieb", erläutert Professor Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena. Derzeit werden etwa bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich nach knapp jeder 10. Operation nachträglich Krebszellen aufgefunden.
Und die Jenaer Forscher denken bereits weiter. Sie forschen an einer Lösung, wie sie die einzigartigen Eigenschaften des Lichts dazu nutzen können, Tumore im Inneren des Körpers frühzeitig zu erkennen und gleich zu entfernen. "Dafür brauchen wir neuartige Verfahren, die nicht mehr mit starren Optiken funktionieren, sondern mit flexiblen Endoskopen", so Jürgen Popp. Solche Fasersonden fertigen Technologen am Leibniz-IPHT: Glasfasern, dünner als ein menschliches Haar. Sie eröffnen einen Weg zu einer minimal-invasiven Medizin, die eine schonende Diagnose und Heilung möglich macht. "Unsere Vision", sagt Jürgen Popp, "ist es, Licht zu nutzen, um den Tumor nicht nur zu identifizieren, sondern ihn gleich zu entfernen. Dann müssen Mediziner gar nicht mehr mit einem Skalpell schneiden, sondern wären in der Lage, den Tumor lichtbasiert Schicht für Schicht abzutragen, um den Patienten komplett tumorfrei zu bekommen." In zehn bis fünfzehn Jahren will das Forscherteam eine Lösung erarbeiten. Das, prophezeit Popp, "wäre ein Riesenschritt in eine ganz neue Tumordiagnostik und -therapie."