Wer länger lebt, bekommt weniger Kinder

Die Zeit zwischen zwei Generationen bestimmt den Preis der Fruchtbarkeit

14.06.2019 - Deutschland

Ein langes Leben und viele Kinder – dies war bis vor nicht allzu langer Zeit eine weit verbreitete Wunschvorstellung. Ein Blick ins Tierreich zeigt jedoch, dass sich eine hohe Fruchtbarkeit und eine lange Lebensdauer oft ausschließen: Besonders kurzlebige Tiere sind oft sehr fruchtbar, langlebige Tiere haben dagegen oft weniger Nachkommen. Organismen können bei begrenzten Ressourcen also anscheinend entweder lange leben oder sehr fruchtbar sein – nicht jedoch beides gleichzeitig. Forscher vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön haben nun entdeckt, wie sich der Kompromiss zwischen Überleben und Fruchtbarkeit auswirkt. Demnach ist das durchschnittliche Alter bei der Fortpflanzung ein Maß für den Verlust an Fruchtbarkeit bei steigender Lebensdauer.

© Stefano Giaimo

Ein Rosenkäfer (Cetonia aurata) nach dem Regen in Bad Malente, Deutschland. Dieser Käfer steht, wie die meisten Organismen, vor einem Kompromiss zwischen Überleben und Fortpflanzung.

Der afrikanische Elefant oder die Wüstenschildkröte können bis zu 80 Jahre alt werden. Dabei sind sie zeitlebens vielen Gefahren ausgesetzt und erhalten keinerlei medizinische Hilfe. Solche Tiere wären also eigentlich ein idealer Forschungsgegenstand, um dem Geheimnis eines langen Lebens auf die Spur zu kommen. Altersforschung an langlebigen Tieren ist aber in der Realität kaum umzusetzen. Ein Forscherleben würde nicht ausreichen, um die Unterschiede von nur zwei Elefantengenerationen zu untersuchen. Zudem wären solche extrem langen Forschungsvorhaben sehr teuer.

Daher verwenden Wissenschaftler als Modelle für Altern und Langlebigkeit meist Tiere mit relativ kurzer Lebensdauer, wie zum Beispiel Mäuse oder Fruchtfliegen. Da sich diese Tiere zudem schnell vermehren, können Veränderungen in Altern und Lebenszeit zwischen verschiedenen Generationen gut beobachtet und untersucht werden. Oft werden genetische Veränderungen sichtbar, die die Lebensdauer verlängern. Wenn der Mensch ähnliche Gene besitzt, liegt die Vermutung nahe, dass diese auch beim Menschen die lebensverlängernd wirken.

Es gibt jedoch eine weitere Komponente, die direkt mit der Lebensdauer eines Organismus zusammenhängt: seine Fruchtbarkeit. So sind kurzlebige Tiere oft sehr fruchtbar, während langlebige Tiere nur wenige Nachkommen haben. Mäuse zum Beispiel leben nur etwa zwei Jahre, werden aber schon nach wenigen Wochen geschlechtsreif und bringen dann bis zu achtmal jährlich drei bis acht Junge zur Welt. Elefanten hingegen können bis zu 80 Jahre alt werden, im Laufe ihres Lebens bringt eine Elefantenkuh jedoch nur bis zu zehn Nachkommen hervor. In der Evolution scheint es eine Art Kompromiss zwischen Langlebigkeit und Fruchtbarkeit zu geben: Das eine kann dabei nur auf Kosten des anderen erhöht werden.

Stefano Giaimo und Arne Traulsen aus der Abteilung Evolutionstheorie am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön, haben aus einem mathematischen Modell abgeleitet, wie sich dieser Kompromiss messen lässt. Dafür haben sie die für die optimale Fitness eines Organismus beste Kombination aus Überleben und Fruchtbarkeit berechnet. Dabei werden Fruchtbarkeit und Langlebigkeit als zwei Komponenten betrachtet, die sich gegenseitig negativ beeinflussen: Wird die eine größer, muss die andere kleiner werden.

Die Berechnungen der Forscher zeigten, dass die Generationszeit, also das durchschnittliche Alter bei der Fortpflanzung, ein Umrechnungsfaktor dafür ist, wie sich der Kompromiss zwischen Fruchtbarkeit und Überleben auswirkt: Lebt ein Organismus länger, sinkt damit seine Fruchtbarkeit. „Eine Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit von jedem Zeitabschnitt zum nächsten um zwei Prozent bedeutet zum Beispiel einen prozentualen Fruchtbarkeitsverlust in jedem Alter in Höhe der doppelten Generationszeit des Organismus“, sagt Stefano Giaimo.

Eine nur unwesentlich erscheinende Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit kann sich also massiv auf die Fortpflanzung auswirken. Eine Maus zum Beispiel besitzt eine Generationszeit von 2,5 Monaten. Eine vierprozentige Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit von einem Monat zum nächsten kann die monatliche Fruchtbarkeit um bis zu zehn Prozent verringern. Wie sich eine längere Lebenszeit auf die Fruchtbarkeit des Menschen auswirkt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau bestimmt werden. „Es könnte aber sein, dass die Altersforschung an kurzlebigen Tieren stark unterschätzt, welchen Preis wir für ein längeres Leben zahlen müssten“, erklärt Arne Traulsen.

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