Dem Tode der Männer auf der Spur

Männer mit niedrigem Sexualhormonspiegel (Testosteron) sterben deutlich früher

08.04.2010 - Deutschland

Wissenschafter des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin unter der Leitung von Prof. Matthias Nauck und Prof. Henri Wallaschofski, der Kardiologie (Prof. Stefan Felix) und der Community Medicine (Prof. Henry Völzke) der Universität Greifswald sowie der Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Christof Schöfl) konnten einen direkten Zusammenhang zwischen dem Sexualhormon Testosteron und der Sterblichkeit belegen. Männer mit einer niedrigen Testosteronkonzentration zur Zeit der Erstuntersuchung verstarben häufiger an Herz-Kreislauferkrankungen.

Als Basis dienten erneut die Untersuchungsdaten und Blutproben der seit über zehn Jahren laufenden Greifswalder Bevölkerungsstudie "Gesundheit in Vorpommern" SHIP (Study of Health in Pomerania) mit über 4.000 Probanden und mittlerweile drei Untersuchungswellen. Wissenschaftler aus aller Welt nutzen den Datenschatz, um tiefere Einblicke in medizinische Probleme zu bekommen und Antworten auf brennende Gesundheitsfragen zu finden. Für die Testosteron-Studie wurden die Untersuchungsergebnisse von den rund 2.000 männlichen Teilnehmern von SHIP analysiert. Testosteron ist als wichtigstes männliches Sexualhormon für viele körperliche und psychische Vorgänge beim Mann verantwortlich. Die Greifswalder Wissenschaftler haben sich schwerpunktmäßig mit Hormon- und Stoffwechselerkrankungen und den Zusammenhang zwischen dem männlichen Sexualhormon Testosteron und Fragen der Gesundheit des Mannes befasst.

Die Arbeitsgruppe am Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, bestehend aus Labormedizinern, Hormonexperten (Endokrinologen) und Versorgungsforschern (Epidemiologen), setzen aktuell auch modernste analytische Verfahren in ihrer Forschungsarbeit ein. Mittels der NMR-Spektroskopie kann die gesamte Stoffwechselsituation eines Probanden eingeschätzt werden. "Die Magnetische Resonanzspektroskopie in der Labormedizin ermöglicht ein molekulares Abbild aus entnommenen Körperflüssigkeiten", erläuterte Institutsdirektor Prof. Matthias Nauck. "Damit können neuartige Einblicke in den menschlichen Stoffwechsel und auftretende Störungen gewonnen sowie individualisierte Therapieansätze erschlossen werden."

In begleitenden Analysen der Daten der SHIP-Studie konnten die Wissenschaftler belegen, dass eine erniedrigte Testosteronkonzentration häufig mit Fettleibigkeit, Fettstoffwechselstörungen und einer Leberverfettung verknüpft sind. Niedrige Testosteronspiegel führen zu einer vermehrten Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen und erhöhten Gesundheitskosten im ambulanten Bereich. Zudem zeigte sich, dass ein niedriger Testosteronspiegel für die Entstehung von Bluthochdruck und Diabetes mit verantwortlich ist. "Diese hormonbedingten Stoffwechselstörungen sind bei Männern zu einem frühen Tod verknüpft", betonte Prof. Henri Wallaschofski. Das habe die Auswertung der Verlaufsbeobachtung von bereits verstorbenen Teilnehmern der Studie ergeben.

"Da der demographische Wandel und die zunehmende Alterung unserer Gesellschaft auch vor dem 'starken' Geschlecht nicht Halt machen, sind altersbedingte Erkrankungen beim Mann auf dem Vormarsch", erklärte der Endokrinologe. "So ist bekannt, dass die Testosteronkonzentration mit zunehmendem Alter des Mannes kontinuierlich sinkt." Bei 15 bis 20 Prozent der untersuchten Männer über dem 50. Lebensjahr wurde im Rahmen von SHIP eine erniedrigte Testosteronkonzentration nachgewiesen. "In Zukunft wird die hormonelle Vorsorge beim reifen Mann genauso selbstverständlich werden wie bei der Frau", ist Wallaschofski überzeugt. "Die Einstellung des Hormonspiegels ist bei medizinisch gesichertem Bedarf medikamentös möglich."

Prof. Matthias Nauck kündigte an, die Untersuchungen im Rahmen des zentralen und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 15,4 Mio. Euro geförderten Greifswalder Forschungsprojektes der "Individualisierten Medizin" (GANI_MED: Greifswald Approach to Individualized Medicine) fortzusetzen. "Die Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit Kardiologen, Gynäkologen und Fachärzten der Klinik für Psychiatrie wird den Einfluss von Sexualhormonen auf Stoffwechselerkrankungen weiter im komplexen Zusammenhang untersuchen. Ziel ist es, eine individuelle Diagnostik mit Risikoanalyse, Lebensstilberatung und Therapie zu etablieren und einen wissenschaftlichen Schwerpunkt für Andrologie am Universitätsklinikum zu entwickeln." Die Andrologie (Männerkunde) widmet sich den gesundheitlichen Fortpflanzungsfunktionen des Mannes.

Originalveröffentlichung: European Heart Journal

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