Rekordsummen für deutsche Start-ups
Berlin bleibt vorn, aber Bayern und NRW holen auf
geralt, pixabay.com, CC0
Berlin konnte erneut den Titel als Deutschlands Start-up-Hauptstadt verteidigen. Berliner Start-ups erhielten im vergangenen Jahr bei 247 Finanzierungsrunden insgesamt 2,64 Milliarden Euro. Die Zahl der Finanzierungen lag damit 6 Prozent höher als im Vorjahr, das Investitionsvolumen sank hingegen um 11 Prozent. Der Grund für den Rückgang ist eine geringere Zahl von Mega-Transaktionen in der Bundeshauptstadt: 2017 hatte allein der Berliner Essenslieferdienst Delivery-Hero bei zwei Transaktionen insgesamt 808 Millionen Euro von Investoren erhalten – 2018 gab es mit der 460-Millionen-Finanzspritze für Auto1 nur eine derartig große Transaktion in der Bundeshauptstadt.
Deutlich mehr Geld als im Vorjahr floss hingegen an Jungunternehmen aus Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. In Bayern stieg das Investitionsvolumen um 97 Prozent auf 802 Millionen Euro, in Hamburg um 138 Prozent auf 548 Millionen Euro und in Nordrhein-Westfalen sogar um 154 Prozent auf 243 Millionen Euro. Auch bei der Zahl der Finanzierungsrunden verzeichneten zumindest Bayern und Nordrhein-Westfalen deutliche Zuwächse: um 63 Prozent auf 124 in Bayern und um 54 Prozent auf 60 in Nordrhein-Westfalen. In Hamburg stieg die Zahl der Transaktionen nur leicht – um 8 Prozent – auf 42.
Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden nur Unternehmen, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt. Neben klassischen Risikokapitalinvestitionen werden für die Studie auch Mittelzuflüsse aus Börsengängen und ICOs (Initial Coin Offerings) berücksichtigt.
„Für den Start-up-Standort Deutschland war das Jahr 2018 erneut erfolgreich – das Volumen reiner Risikokapitalinvestitionen stieg sogar auf Rekordniveau. Zudem erhalten immer mehr deutsche Jungunternehmen frisches Kapital“, beobachtet Peter Lennartz, Partner bei EY.
Starkes Wachstum bei mittelgroßen Deals
Im Jahr 2018 gab es sechs Großtransaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro; die Zahl lag damit auf dem Niveau des Vorjahres. Während auch bei Investitionen oberhalb von 50 Millionen Euro nur ein leichtes Wachstum von 5 auf 7 registriert wurde, stieg die Zahl mittelgroßer Investitionen im Bereich zwischen 10 und 50 Millionen kräftig – um 48 Prozent von 54 auf 80.
„Investitionen im zweistelligen Millionenbereich ermöglichen es Start-ups, ihr Geschäftsmodell zu skalieren und zu internationalisieren. Umso erfreulicher ist die deutliche Zunahme derartiger Deals – sie zeigt, dass offenbar eine beachtliche Zahl deutscher Start-ups inzwischen einen hohen Reifegrad erreicht hat. Wenn Investoren bereit sind, so tief in die Tasche zu greifen, zeugt das von Vertrauen in das Geschäftsmodell und die jungen Unternehmer“, so Lennartz. „Diese Entwicklung ist umso erfreulicher, als viele dieser Finanzierungen sowohl von namhaften internationalen Investoren als auch von den Venture Capital-Armen bekannter Corporates durchgeführt werden. Damit sind in Zukunft weitere Finanzierungsrunden und weiteres Wachstum bei diesen Start-ups wahrscheinlich.“
Das stärkste Wachstum außerhalb Berlins
Berlin ist zwar nach wie vor der führende Start-up Standort in Deutschland – allerdings können die Verfolger kräftig Boden gutmachen: Während die Zahl der Transaktionen in Berlin nur leicht wuchs, gab es in Bayern und Nordrhein-Westfalen sehr viel mehr Finanzierungsrunden, und auch die Investitionsvolumina waren deutlich höher als im Vorjahr. Am Standort Hamburg ging das Investitionsvolumen zwar ebenfalls deutlich nach oben, was aber vor allem an zwei Finanzspritzen für das Hamburger Fashion Startup About You im Gesamtwert von 320 Millionen Euro lag.
„Gerade der Start-up Standort Bayern mit dem Zentrum München entwickelt sich zurzeit stark und holt mit großen Schritten auf. Die Verbindung von Spitzenforschung, enormer Wirtschaftskraft mit zahlreichen DAX-Konzernen und einer hohen Dichte von Risikokapitalinvestoren, gepaart mit einer hohen Lebensqualität, entwickelt eine vielversprechende Dynamik“, beobachtet Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland.
Dass nun zunehmend junge Wachstumsunternehmen auch außerhalb Berlins hohe Millionensummen erhalten, sei ein positives Signal für den Standort Deutschland, so Barth: „Start-ups spielen eine immer größere Rolle bei der digitalen Transformation der deutschen Wirtschaft. Mit ihren Innovationen geben Gründer der Digitalisierung neue Impulse und sorgen damit auch für Veränderungen bei den etablierten Konzernen. Es ist wichtig, dass diese Dynamik überall in Deutschland, an allen großen Wirtschaftsstandorten stattfindet. Entsprechend große Bedeutung haben der Ausbau und die Förderung der Ökosysteme für Start-ups in unseren Städten und Regionen. Da sind wir gerade auf einem sehr guten Weg.“
Neue Technologien und FinTechs zunehmend im Fokus der Investoren
Zwar floss im Jahr 2018 erneut das meiste Geld in E-Commerce-Unternehmen – die Gesamtsumme ging aber gegenüber 2017 um 12 Prozent auf 1,64 Milliarden Euro zurück. Der Anteil dieses Segments am gesamten Finanzierungsvolumen schrumpfte von 42 auf 35 Prozent.
Einen massiven Anstieg verzeichnete hingegen das Segment Software & Analytics. Darunter werden hochtechnische Geschäftsmodelle aus den Bereichen künstliche Intelligenz, Blockchain, Virtual und Augmented Reality ebenso subsummiert wie Start-ups, die in den Bereichen Cloud Computing, Cyber oder Analytics tätig sind. Die Investitionssumme in diesem Segment hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 295 auf 670 Millionen Euro mehr als verdoppelt, die Zahl der Finanzierungen stieg fast ebenso stark – von 75 auf 148. Damit verlor der Bereich E-Commerce, dem 101 Finanzierungen zugeordnet wurden, zumindest bei der Zahl der Finanzierungen seinen Spitzenplatz im Branchenvergleich.
„Zwar wird nach wie vor das meiste Geld in E-Commerce-Geschäftsmodelle investiert, aber wir sehen, dass eine steigende Anzahl hochinnovativer und stark technologiegetriebener Start-ups aus den Bereichen künstliche Intelligenz, Blockchain und virtuelle Realität inzwischen zweistellige Millionensummen anziehen. Das ist eine gute Nachricht für den High-Tech-Standort Deutschland“, betont Lennartz.
Ebenfalls kräftig gestiegen ist das Finanzierungsvolumen im FinTech-Sektor (um 22 Prozent auf 659 Millionen Euro), bei Mobilitäts-Start-ups (um 45 Prozent auf 427 Millionen Euro) und im Bereich PropTech, also Technologie-Start-ups in der Immobilienwirtschaft (um 204 Prozent auf 184 Millionen Euro). Rückläufig waren hingegen die Investitionen in Gesundheits-Start-ups (um 39 Prozent auf 316 Millionen Euro) und in junge Medienunternehmen (um 75 Prozent auf 73 Millionen Euro).
Die größten Transaktionen des vergangenen Jahres entfielen wie im Vorjahr auf E-Commerce Start-ups: Im Januar sammelte die Berliner Gebrauchtwagen-Plattform Auto1 460 Millionen Euro ein. Im Juli erhielt das Hamburger Bekleidungs-Start-up About You 264 Millionen Euro, im Juni flossen dem Möbel-Versender Home24 bei seinem Börsengang 172 Millionen Euro zu.
Initial Coin Offerings tragen 255 Millionen Euro bei, IPOs 331 Millionen Euro
Erstmals sind 2018 ICOs (Initial Coin Offerings) signifikant als neue Finanzierungsform in Erscheinung getreten – trotz zahlreicher kritischer Stimmen. Insgesamt nahmen deutsche Start-ups im vergangenen Jahr bei 22 ICOs 255 Millionen Euro ein. Die Tendenz ist allerdings stark fallend: Nach 13 ICOs im ersten Halbjahr, die 205 Millionen Euro einbrachten, wurden in der zweiten Jahreshälfte nur noch 9 Transaktionen im Volumen von lediglich 49 Millionen Euro registriert.
Im Jahr 2018 schafften darüber hinaus 3 Start-ups den Sprung aufs Parkett und nahmen bei ihren Börsengängen insgesamt 331 Millionen Euro ein. 2017 waren noch 4 Start-up-Börsengänge gezählt worden, bei denen den Jungunternehmen 794 Millionen Euro zugeflossen waren.
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