„Gehirn-Hot-Spot“ für Medikamente gegen Angst entdeckt

Erkenntnisse könnten zu einem neuen Therapieansatz führen

07.12.2018 - Deutschland

Bei der Funktionsweise von Psychopharmaka auf der Ebene neuronaler Netze sind bislang noch viele Fragen offen. Ein Team von Wissenschaftlern um Dr. Wulf Haubensak, Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien, und Prof. Dr. Andreas Hess, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), konnte nun einen neuronalen Kreislauf im Gehirn identifizieren, der eine wichtige Rolle bei Angstzuständen spielt – und zeigen, wie gewöhnliche psychiatrische Medikamente darauf wirken.

IMP

Die Entdeckung eines neuronalen Hot-Spots im Gehirn, der die Angst steuert, öffnet neue Möglichkeiten für die Wirkstoffentwicklung.

Angststörungen sind ein medizinisches Problem, das einen Großteil der Bevölkerung betrifft. Sie können mit einer Reihe von Psychopharmaka behandelt werden, darunter eine Gruppe von Substanzen, die als Benzodiazepine (BZDs) bezeichnet werden. BZDs werden seit 50 Jahren zur Behandlung von Patienten mit Angstzuständen eingesetzt, und ihre Wirkungsweise auf molekularer und zellulärer Ebene ist gut erforscht. Hingegen wissen Ärzte und Neurowissenschaftler noch wenig über die Wechselwirkungen zwischen den neuronalen Schaltkreisen, durch die BZDs ihre angstlösende Wirkung entfalten.

Ein Forscherteam um Dr. Wulf Haubensak vom IMP und Prof. Dr. Andreas Hess von der FAU hat jetzt eine Kombination innovativer Methoden, die Genetik, Informationen zu neuronalen Schaltkreisen und zur funktionellen Gehirnkartierung verknüpft, eingesetzt. Sie fanden heraus, dass BZD die Weiterleitung aversiver Signale durch die Amygdala, dem Mandelkern, stören und charakterisierten die betroffenen Schaltkreise.

„Angst entsteht aus dem Zusammenspiel mehrerer Kreisläufe im Gehirn. In diesem Netzwerk haben wir einen entscheidenden biomedizinischen ‚Hot-Spot‘ identifiziert, der der angstlösenden Therapie zugrunde liegt ", sagt Dr. Haubensak. „Diesem Hotspot auf die Spur zu kommen, war nur möglich, indem Erkenntnisse über die Verbindungen von Neuronen im Gehirn, dem Konnektom, mit genetischen Techniken kombiniert wurden, die die funktionale Visualisierung und Manipulation bestimmter Neuronenpopulationen im Tiermodell ermöglichen – Methoden und Informationen, die dies ermöglich, stehen erst seit kurzem zur Verfügung.“

Die Wissenschaftler verglichen ihre an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse mit funktionellen menschlichen Gehirnscans und fanden Hinweise darauf, dass die gleichen Mechanismen auch beim Menschen wirksam sind. Dies öffnet neue Perspektiven für die Entwicklung von Medikamenten.

Prof. Hess, Mitautor der Studie, betont die Wichtigkeit der funktionellen Bildgebung des Gehirns: „Nichtinvasive Bildgebung wie die Magnetresonanztomografie ist der Schlüssel für die Untersuchung neurobiologischer Funktionen auf der gesamten Gehirnebene. Wir haben dies mit neuartigen Datenanalyse-Strategien kombiniert, um die modulatorischen Auswirkungen kleiner neuronaler Schaltkreise zu charakterisieren, die eine wichtige Gehirnfunktion ausmachen – in diesem Fall Angst.“

„Da wir nun die exakten Netzwerke von Neuronen kennen, die den anxiolytischen Effekt von BZD vermitteln, können wir jetzt versuchen, sie gezielt zu erreichen. Dies könnte die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von Angstzuständen ermöglichen, ohne die Nebenwirkungen, die bei derzeitigen Anxiolytika üblich sind “, sagt Johannes Griessner, Doktorand und Erstautor der Studie und fügt perspektivisch an, wie die Ergebnisse in weiteren Studien verwendet werden könnten: „Die Psychiatrie benötigt eine starke biologische Basis, die gezielte therapeutische Interventionen ermöglicht. Unser Ansatz könnte als Blaupause für eine experimentelle Strategie dienen, mit der die Auswirkungen psychoaktiver Medikamente im Allgemeinen besser charakterisiert werden können. “

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