Bakterien-Vesikel als neuartige Therapieform gegen Infektionskrankheiten?

29.11.2018 - Deutschland

Saarbrücker Pharma-Forscher haben die Bläschen untersucht, die bestimmte im Boden lebende Myxobakterien durch Ausstülpen ihrer äußeren Membran herstellen. Sie konnten nachweisen, dass diese so genannten Außenmembran-Vesikel mit einem antibiotischen Wirkstoff gefüllt sind und Modellbakterien abtöten können. Da sie gleichzeitig keinen schädlichen Einfluss auf menschliche Zellen zu haben scheinen, könnten sie die Grundlage für eine neuartige Therapieform gegen Infektionskrankheiten darstellen.

Weltweit nimmt die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika dramatisch zu. Es wird geschätzt, dass bis zum Jahr 2050 jährlich bis zu zehn Millionen Menschen an nicht-behandelbaren Infektionen sterben könnten. Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen gefährliche Krankheitserreger sind auch Wissenschaftler am Saarbrücker Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). Zu ihnen gehört Prof. Rolf Müller, der mit seinem Team an Myxobakterien arbeitet. Diese Bodenbakterien produzieren eine ganze Reihe antibiotisch wirksamer Substanzen, die sich als Ausgangsstoffe für neue Antibiotika eignen. Dies gilt auch für das Bakterium Cystobacter velatus. Welche Mechanismen dieses Myxobakterium für die Herstellung antibiotischer Wirkstoffe nutzt, wollten die Saarbrücker Wissenschaftler in der aktuellen Arbeit herausfinden.

Abb.: Eilien Schulz. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Marcus Koch (INM).

Die Graphik zeigt ein Myxobakterium (links), das (runde) Vesikel von seiner Oberfläche abgeschnürt hat, welche mit Wirkstoff gefüllt sind (rote Dreiecke). Abb. oben links: gemessene Wachstumshemmung von Escherichia coli (blaue Kurve), hervorgerufen durch die extrazellulären Vesikel von Cystobacter velatus. Rechts: Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Vesikeln.

Dazu nahm die Arbeitsgruppe „Biogene Nanotherapeutika“ von Dr. Gregor Fuhrmann nun erstmals so genannte Außenmembran-Vesikel von Cystobacter velatus unter die Lupe: „Das sind winzige Bläschen, die die Bakterien durch Ausstülpen ihrer äußeren Membran herstellen“, erläutert Fuhrmann, der die Vesikel gemeinsam mit seinen Doktorandinnen Eilien Schulz und Adriely Goes untersucht hat. „Dabei haben wir entdeckt, dass die Bläschen mit dem antibakteriellen Wirkstoff Cystobactamid gefüllt sind.“ Das Interessante sei, dass die extrazellulären Vesikel zumindest in einfachen Zellmodellen auf menschliche Zellen nicht toxisch wirken, jedoch Bakterien abtöten können. Die beiden Doktorandinnen zeigten dies, indem sie die Vesikel an menschlichen Immun- und Gewebezellen testeten. In weiteren Versuchen konnten sie nachweisen, dass Cystobactamid das gramnegative Modellbakterium Escherichia coli abtötet.

Für Gregor Fuhrmann sind diese Ergebnisse vielversprechend: Im Allgemeinen sei es besonders schwierig, Wirkstoffe gegen gramnegative Bakterien zu entwickeln. „Allerdings haben wir mit sehr einfachen Modellen gearbeitet“, betont der Apotheker und Arzneimittel-Forscher. Künftig will er mit seiner Arbeitsgruppe untersuchen, was in komplexeren Systemen passiert, beispielsweise, wenn Bakterien Biofilme bilden, um sich zu schützen.

Die Ergebnisse könnten ein Schritt zu einer zielgerichteten antimikrobiellen Therapie sein, hoffen die Saarbrücker Forscher. Denn im Gegensatz zu synthetischen Nanopartikeln, die mit Wirkstoffen beladen werden und diese an den jeweiligen Einsatzort im Körper transportieren, handele es sich bei den Bakterien-Vesikeln um natürliche „Arzneistoff-Taxis“. „Wir vermuten daher, dass extrazelluläre Vesikel besser verträglich sind und leichter ihr Ziel erreichen“, sagt Fuhrmann. Damit sei die Arbeit eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Frage, ob sich Außenmembran-Vesikel aus Myxobakterien als neuartige therapeutische Verabreichungssysteme gegen bakterielle Infektionen eignen.

Die Arbeit entstand aus der Kooperation von Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes, des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) sowie des Leibniz-Instituts für Neue Materialien (INM).

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