Gen-Radiergummi: Neuer Behandlungsansatz bei chronischen Erkrankungen

Neues Gentechnik-Verfahren kann epigenetische Veränderungen wieder löschen

20.11.2018 - Deutschland

Atemnot, Müdigkeit und Wassereinlagerungen sind typische Anzeichen für eine chronische Herz- oder Nierenschwäche. Die Symptome bleiben oft unbemerkt oder werden als altersbedingt wahrgenommen, weil die Verschlechterung der Organleistungen langsam voranschreitet. Ursache für das schrittweise Versagen der Organe bei chronischen Erkrankungen sind sogenannte „epigenetische Modifikationen“, das sind nachträgliche Abänderungen an Grundbausteinen der Erbsubstanz einer Zelle: Bestimmte Genabschnitte werden durch chemische Veränderungen, wie beispielsweise die chemische Kopplung von Methylgruppen (DNA-Methylierung), unbrauchbar gemacht.

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Göttinger Forscher entwickeln Methode, mit der die im Bindegewebe der Niere verborgenen Fibroblasten gezielt von krankheitsverursachenden epigenetischen Veränderungen gesäubert werden können.

Forschern am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) ist es nun gelungen, in einem Tiermodell die krankmachende epigenetische Modifikation gezielt rückgängig zu machen. Die Projektgruppe „ENPP3-vermittelter Phosphat-Metabolismus bei der Herzfibrose“ des Sonderforschungsbereichs 1002 (SFB 1002) um Prof. Dr. Michael Zeisberg, Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der UMG, funktionierte für ihre Versuchsreihe die als „Gen-Schere“ bekannte sogenannte CRISPR/Cas9-Technologie um. „Statt die DNA zu durchtrennen, kann durch die abgewandelte Technologie ein Genabschnitt nun wie mit einem Radiergummi von der Modifikation gesäubert werden“, sagt Prof. Dr. Michael Zeisberg. Mit dieser Therapie können spezifische DNA-Methylierungen sogar Fibroblasten korrigiert werden, die für den Krankheitsverlauf verantwortlich sind und die in den im Bindegewebe liegen. Weil die Fibroblasten epigenetisch veränderte DNA freisetzten, sind krankmachende epigenetische Modifikationen sogar im Blut nachweisbar. Potentiell können somit krankmachende epigenetische Modifikation in der Niere oder auch im Herzen mit einem einfachen Bluttest identifiziert und anschließend mit einer maßgeschneiderten Therapie korrigiert werden. Diese Methode stellt einen neuen Ansatz zur personalisierten Behandlung von Herzschwäche und chronischem Nierenversagen dar.

„Die Ergebnisse dieser Studie machen Hoffnung, dass uns in Zukunft noch ein weiteres, wirkungsvolles Verfahren für die Behandlung von z.B. der Herzschwäche zur Verfügung steht. Diese Methode eröffnet eine große Brandbreite von Anwendungsmöglichkeiten, um die Aktivität einzelner Gene zu regulieren, ohne die tatsächliche Erbsequenz verändern zu müssen“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums und Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1002.

Die CRISPR/Cas-Methode (CRISPR von Clustered Regulary Interspaced Short Palindromic Repeats, Cas von CRISPR-associated) nutzt ein Prinzip, mit dessen Hilfe sich Bakterien von Virus-Infektionen befreien. Dabei wird das aus Bakterien bekannte Cas9 Protein mit einer konstruierten RNA-Sonde gezielt zu einer beliebigen DNA-Stelle gesteuert und dort als molekulare „Schere“ eingesetzt: Cas9 durchschneidet den DNA-Doppelstrang an dieser Stelle und macht nachfolgende Veränderungen der DNA möglich.

„Für unsere Zwecke haben wir das Cas9-Enzym in einer Weise geändert, dass es spezifische Genabschnitte noch binden kann, aber nicht mehr die Fähigkeit hat, diese auch zu schneiden. Stattdessen wurde das veränderte Cas9-Enzym nun mit einem zweiten Enzym, dem Tet3, gekoppelt, welches die krankmachende epigenetische Modifikation ausradiert und den Normalzustand wiederherstellt“, sagt Professor Zeisberg.

In der Studie konnte erstmalig die erfolgreiche Anwendung dieser Methode im Tiermodell bewiesen werden. Die Forscher konnten zeigen, dass die gezielte Demethylierung eines einzigen Gens (z.B. Rasal1) in Nieren-Fibroblasten ausreicht, um den Verlauf von Nierenversagen abzumildern. Aktuell laufen weitere Versuche, um das Enzym kompakter zu machen und die Anwendung zukünftig auch bei Patienten zu ermöglichen.

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