Strengere Regeln als Konsequenz aus Medikamenten-Skandalen
(dpa) Als Konsequenz aus Pharmaskandalen um gestohlene und gepanschte Arzneimittel will sich der Bund stärker in die Überwachung einschalten und Marktregeln verschärfen. «Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass Medikamente heilen und ihnen nicht schaden», sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin. Per Gesetz soll unter anderem festgelegt werden, Kontrollen und Rückrufe der zuständigen Länder stärker zentral zu koordinieren. Müssen Medikamente wegen Qualitätsmängeln ausgetauscht werden, sollen Patienten dafür nicht nochmals etwas zuzahlen müssen. Auch für Apotheken und Heilpraktiker sollen strengere Vorgaben kommen.
Viele Menschen seien durch die jüngsten Skandale verunsichert worden, ob ihre Arzneimittel sicher sind, sagte Spahn. Darauf solle nun mit neuen Regeln reagiert werden. Da war der Fall von Blutdrucksenkern mit dem Wirkstoff Valsartan, die bei einem chinesischen Zulieferer mit einem womöglich krebserregenden Stoff verunreinigt wurden. In einem anderen Fall steht das Brandenburger Unternehmen Lunapharm im Fokus, das in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente an Apotheken und Großhändler in mehreren Bundesländern vertrieben haben soll. Ein Apotheker aus Bottrop war zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er Krebsmedikamente mit zu wenig Wirkstoff hergestellt hatte.
Als Reaktion darauf will Spahn die Überwachung schlagkräftiger machen und finanzielle Anreize für Betrügereien beseitigen. Das Gesetz soll zum 1. Juli 2019 in Kraft treten, zuvor muss auch der Bundesrat noch zustimmen. Ein Überblick über zentrale Punkte:
Rückrufe und Kontrollen - Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut sollen nicht nur akute Amtshilfe leisten, sondern generell für eine engere Abstimmung mit den Ländern sorgen - auch um Versorgungsengpässe wegen zurückgerufener Medikamente zu vermeiden. Rechtlich verankert werden sollen mehr unangemeldete Inspektionen beispielsweise in Apotheken, die Krebsarzneimittel herstellen. Der Bund soll informiert werden, wenn Länder-Kontrolleure zu Herstellern außerhalb der EU etwa nach China oder Indien reisen - und eigene Experten mitschicken können.
Finanzielle Anreize - Kommt es wegen Qualitätsmängeln zu Rückrufen, sollen die Krankenkassen Geld beim Pharma-Hersteller zurückfordern können. Das soll das wirtschaftliche Interesse der Unternehmen an einwandfreien Produkten erhöhen, erwarten die Ministeriumsexperten. Patienten sollen dann auch nicht noch mal etwas zuzahlen müssen, wenn sie mit einem Rezept für ein neues Medikament in die Apotheke kommen. Wenn Apotheker Krebsarzneimittel herstellen, sollen sie dafür künftig einen festen «Arbeitspreis» von 110 Euro von der Kasse bekommen - und nicht mehr selbst mit dem Hersteller über Preise verhandeln. Das soll Versuchungen vermeiden, dabei vor allem an eigene Gewinne zu denken.
Heilpraktiker - Angesichts eines Falls mit zweifelhaften Infusionen bei Krebspatienten sollen mehrere Regeln für Heilpraktiker verschärft werden. So ist fürs Herstellen verschreibungspflichtiger Mittel künftig generell eine amtliche Erlaubnis erforderlich. Anwendungen mit Frischzellen an Menschen sollen verboten werden.
Spahn setzt auf mehr Sicherheit durch die Neuregelungen, macht aber auch deutlich: Es wäre naiv zu glauben, dass jede Form krimineller Energie damit ausgeschlossen sei. Hintergrund ist auch, dass es für Medikamente längst globale Lieferketten und Vertriebswege gibt.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sprachen von einem «guten Signal» für die Patientensicherheit. Wichtig sei aber auch, dass bei Rückrufen künftig die Pharmaunternehmen die Kosten für notwendige Ersatzmedikamente zahlen müssten - «und nicht mehr die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten dafür zur Kasse gebeten wird», sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus sagte: «Die jüngsten Arzneimittelskandale sind auch ein Versagen der Aufsicht.» Deshalb seien bessere Überwachungsmechanismen bei den Behörden nötig. Erweiterte Bundeskompetenzen seien dafür richtig.
In dem Gesetzespaket geregelt werden daneben unter anderem auch Rechtsgrundlagen für elektronische Rezepte, die bis 2020 kommen sollen, und Erleichterungen für den Bezug von medizinischem Cannabis.