Mit Licht Genaktivität steuern

25.10.2018 - Schweiz

Forscher um Mustafa Khammash haben eine neuartige Methode entwickelt, um in einzelnen Zellen das Übertragen von DNA in RNA mit blauem Licht zu steuern. Die Technologie könnte möglicherweise zur Gewebezüchtung und in der Stammzellforschung eingesetzt werden.

Gruppe Mustafa Khammash/ETH Zürich

Zur Feier des 10. Jubiläums des Departments Biosystem in Basel projizierten die Forscher die Zahl Zehn auf eine Hefepopulation. Die beleuchteten Zellen starteten daraufhin die Transkription.

Die Transkription ist ein fundamentaler biologischer Vorgang, bei welchem die Information eines Genes in eine RNA-Kopie übertragen wird. Daran beteiligt sind Proteine, darunter sogenannte Transkriptionsfaktoren und eine molekulare Maschine namens RNA-Polymerase.

Um die Transkription zu starten, müssen die Transkriptionsfaktoren zunächst an eine bestimmte Stelle der DNA binden. Dies löst verschiedene Prozesse aus, die im Andocken der RNA-Polymerase an die Erbsubstanz münden. Dieser Proteinkomplex entflechtet dann die Doppelhelix, um die Bausteinabfolge eines Gens abzulesen und in ein RNA-Molekül zu übertragen. Die sogenannte Boten-RNA ist eine transportable Kopie des Gens, die als Vorlage für die Proteinbiosynthese dient.

Variabilität in den Griff bekommen

Die Transkription ist – trotz starker Regulierung durch viele molekulare Mitspieler – von einer bedeutenden Variabilität zwischen Zellen geprägt. Diese entsteht unter anderem dadurch, dass die Transkription auf der zufälligen Begegnung von Molekülen - wie Transkriptionsfaktoren und bestimmte DNA Sequenzen - beruht. In jeder Zelle verläuft die Transkription eines Genes daher anders: Bei einigen Zellen setzt sie schneller ein, bei anderen gar nicht. Die Ursachen dieser Variabilität besser zu verstehen und die Transkription besser kontrollieren zu können, ist für die Forschung ein wichtiges Anliegen.

Die Gruppe von Mustafa Khammash, Professor für Regelungstheorie und Systembiologie am Departement für Biosysteme in Basel, hat nun eine Methode gefunden, um die Transkription kontrolliert in Gang zu setzen sowie die Menge der gebildeten RNA-Moleküle zu regulieren: eine optogenetische Plattform, welche die ETH-Wissenschaftler vor kurzem in der Fachzeitschrift «Molecular Cell» vorstellten. Damit lässt sich die Variabilität zwischen den Zellen verringern und die Plattform erlaubt neue Einblicke in die Transkriptionsdynamik.

Individuelle Rückkopplung und Regulierung

Mit dieser Plattform können die Forscher einzelne Hefezellen individuell mit blauem Licht von unterschiedlicher Dauer und Intensität beleuchten. Durch die Einführung fremder Gene wurden diese Zellen gentechnisch so verändert, dass sie auf Licht dieser Farbe reagieren, indem sie einen Transkriptionsfaktor aktivieren. Dies führt dann zur Transkription eines spezifischen Gens.

An die Transkripte dieses Gens, die Boten-RNAs, lagern sich fluoreszierende Proteine an. Dadurch entstehen helle fluoreszierende Punkte, wenn die Transkription aktiv stattfindet. Die Forscher können dann diese Punkte mittels Fluoreszenzmikroskopie abbilden und auswerten.

Dieses System koppelten die Wissenschaftler mit einem Computer. Dieser wertet aus, wie viele RNA-Moleküle zu einem bestimmten Zeitpunkt transkribiert werden und entscheidet über die Lichtmenge, die jede Zelle als nächstes erhalten sollte, um deren Transkription nach Vorgabe zu regulieren.

Neue Einblicke in Transkriptionsdynamik

«Dank dieser Anordnung konnten wir aufzeigen, dass die Aktivierung und die Deaktivierung der Transkription sehr rasch vonstatten geht», sagt ETH-Professor Khammash. Sein Team konnte weiter feststellen, dass die Transkription in einer Zelle in Schüben verläuft, deren Dauer und Auftreten durch die Aktivität von Transkriptionsfaktoren reguliert wird. Dank ihrem Rückkopplungsmechanismus konnten die Forscher zudem Unterschiede in den Transkriptionsraten zwischen verschiedenen Zellen verringern.

Zum Test (und zum Feiern des zehnten Geburtstags des Departements für Biosysteme im vergangenen Jahr) projizierten die Forscher mit blauem Licht die Zahl 10 auf Hefezellen. Daraufhin wurde in den beleuchteten Zellen die Transkription in Gang gesetzt. Dies führte zur Bildung von hell fluoreszierenden Punkten an den gewünschten Positionen.

Dynamische Signale verringern Variabilität

Die beschriebene Kontrollmethode hat jedoch auch ihre Grenzen: Sie lässt sich nur unter dem Mikroskop anwenden, nicht aber im Reagenzglas oder in Bioreaktoren. Dies wäre jedoch nötig, um biotechnologische Prozesse zu steuern.

Um diese Einschränkung zu überwinden, untersuchten die Forscher Möglichkeiten, die Zellen mit komplexen dynamischen Signale zu steuern. Indem sie verschiedene Arten von Signalen verglichen, stellten die Forscher in einer Studie in der Fachzeitschrift «Nature Communications» fest, dass einzelne Zellen auf pulsierende Signale mit höherer Genauigkeit reagieren als auf konstante Signale. Dies ermöglicht es nun, auf einfache Weise grosse Populationen von Zellen besser zu kontrollieren. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse auf eine mögliche Strategie hin, mit der Variabilität in natürlichen Zellpopulationen reguliert wird.

Khammash freut sich, dass die Projekte gelungen sind. Zu Beginn hätten er und seine Kollegen die Sache aus reiner Neugier erforscht, konkrete Anwendungen hätten sie keine im Auge gehabt. «Wir wollten vor allem herausfinden, ob wir den Zufall bei der Transkription in geordnete Bahnen lenken können», sagt er. «Das war eine grosse technische Herausforderung.»

Mittlerweile glaubt er aber, dass seine Plattform eine Goldgrube werden könnte. Man könne sich verschiedene Anwendungen vor allem in der Forschung vorstellen, bei der die Kontrolle der Transkription wichtig ist, sagt er. So könne man sehr rasch Prototypen von genetischen Netzwerken entwickeln, da man nun die Zell-zu-Zell-Kommunikation von aussen steuern könne und nicht mehr auf Signalmoleküle angewiesen sei. «Die Plattform kann aber auch zu einem wichtigen Werkzeug für die Gewebezüchtung und die Stammzellforschung werden». Anwendungen für ihre Plattform werden die Forscher nun in den kommenden Jahren genauer unter die Lupe nehmen und haben dafür bereits Mittel aus dem FET open-Programm der EU erhalten.

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