Ein Auto parken mit zwölf Nervenzellen

Künstliche Intelligenz kann deutlich leistungsfähiger sein als bisher gedacht

23.10.2018 - Österreich

An der TU Wien nahm man sich beim Programmieren künstlicher Intelligenz natürliche Nervenbahnen zum Vorbild. Die neuen Ansätze erzielen mit wenig Aufwand verblüffende Leistungen.

Copyright: TU Wien

Ein kleines Fahrzeug wird in eine Parklücke gesteuert – mit einem neuronalen Netzwerk aus nur 12 Neuronen, angelehnt an das Gehirn eines Wurms.

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Neuronales Netz: Unterschiedliche Schichten von Neuronen sind übereinandergelagert, die Neuronen beeinflussen einander.

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Ein natürlich gewachsenes Gehirn funktioniert ganz anders als ein gewöhnliches Computerprogramm. Es besteht nicht aus Befehlen mit klaren logischen Anweisungen, sondern aus einem Netz von Zellen, die miteinander kommunizieren. Man kann heute aber solche Netze auch am Computer nachbilden, um Probleme zu lösen, die sich nur schwer in logische Befehle zerlegen lassen.

An der TU Wien hat man nun einen neuen Ansatz für die Programmierung solcher neuronaler Netze entwickelt, der die zeitliche Entwicklung der Nervensignale völlig anders beschreibt als bisher. Inspirieren ließ man sich dabei von einem besonders einfachen und gut erforschten Lebewesen, dem Fadenwurm C. elegans. Sein Gehirn wurde am Computer simuliert, das Modell wurde dann mit speziell entwickelten Lernalgorithmen angepasst. So gelang es, mit einer extrem niedrigen Zahl simulierter Nervenzellen bemerkenswerte Aufgaben zu lösen. Obwohl das vom Wurm inspirierte Netzwerk nur über 12 Neuronen verfügt, kann man es darauf trainieren, ein Auto an einen vorherbestimmten Ort zu manövrieren. Ramin Hasani von Institut für Computer Engineering der TU Wien hat diese Arbeit nun am 20. Oktober bei der TEDx-Konferenz in Wien präsentiert.

Mathematisch lässt sich zeigen, dass diese neuartigen neuronalen Netze extrem vielseitig sind. Außerdem lässt sich ihr Verhalten gut untersuchen und verstehen – im Gegensatz zu bisherigen neuronalen Netzen, die man oft als nützliche aber undurchschaubare „Black Box“ betrachtete.

Signale in verzweigten Netzen

„Neuronale Netze müssen zuerst trainiert werden“, erklärt Ramin Hasani. „Man liefert einen bestimmten Input und passt die Verbindungen zwischen den Neuronen so an, dass am Ende möglichst zuverlässig der richtige Output geliefert wird.“

Der Input kann beispielsweise ein Bild sein – und der Output der Name der Person, die darauf zu sehen ist. „Die Zeit spielt bei diesem Vorgang normalerweise keine Rolle“, sagt Radu Grosu (Institut für Computer Engineering, TU Wien). „Bei den meisten neuronalen Netzen wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der gesamte Input geliefert und daraus ergibt sich sofort ein bestimmter Output. In der Natur ist das aber ganz anders.“

Spracherkennung etwa ist eine zwangsläufig zeitabhängige Aufgabe, genauso wie Simultanübersetzungen oder Bewegungsabläufe, die auf eine wechselnde Umwelt reagieren. „Solche Aufgaben können viel besser gelöst werden, wenn man sogenannte RNN verwendet – recurrent neural networks“, sagt Ramin Hasani. „Das ist eine Architektur, die Zeitabläufe besser abbildet, weil sie dafür sorgt, dass sich die Nervenzellen merken, was bisher passiert ist.“

Hasani und sein Team schlugen eine neuartige RNN-Architektur vor, die auf biophysikalischen Modellen von Neuronen und Synapsen beruht und zeitabhängige Dynamik erlaubt. „In einem gewöhnlichen RNN-Modell gibt es eine unveränderliche Verbindung zwischen Neuron eins und Neuron zwei, die festlegt, wie stark das eine Neron die Aktivität des anderen beeinflusst“, erklärt Ramin Hasani. „In unserem neuartigen RNN ist diese Verbindung eine nichtlineare Funktion der Zeit.“

Indem man zulässt, dass sich die Zellaktivität und die Verbindungen zwischen den Zellen mit der Zeit verändern, eröffnet man völlig neue Möglichkeiten. Ramini Hasani, Mathias Lechner und ihr Team konnten mathematisch zeigen, dass sich mit dieser Methode im Prinzip neuronale Netze mit beliebiger Dynamik erzeugen lassen. Um die Vielseitigkeit des neuen Typs neuronaler Netze zu demonstrieren, entwickelten und trainierten sie ein spezielles kleines Neuro-Netzwerk: „Wir bildeten das Nervensystem nach, das der Fadenwurm C. elegans verwendet, um einen ganz einfachen Reflex zu realisieren – nämlich das Rückzugsverhalten bei einer Berührung“, sagt Mathias Lechner (derzeit am Institute of Science and Technology Austria). „Das neuronale Netz wurde stimuliert und trainiert, um reale Aufgaben zu lösen.“

Der Erfolg ist erstaunlich: Obwohl es sich um ein kleines, einfaches Netz mit nur 12 Nervenzellen handelt, kann es (nach der entsprechenden Optimierung der Nervenverbindungen) bemerkenswert komplexe Aufgaben lösen. Das Netz kann trainiert werden, ein Fahrzeug in eine Parklücke zu manövrieren. „Der Output des neuronalen Netzes, der in der Natur die Bewegung des Fadenwurms steuern würde, wird bei uns in das Lenken und Beschleunigen des Fahrzeugs umgesetzt“, sagt Hasani. „Wir beweisen damit, dass mit unserer Methode sehr einfache neuronale Netze komplizierte Aufgaben in einer physisch realen Umgebung lösen können.“

Zusätzlich hat die neue Methode den Vorteil, dass sie einen besseren Einblick in die Funktionsweise des neuronalen Netzes bietet: Während man bei bisherigen neuronalen Netzen, die oft aus vielen tausend Knotenpunkten bestanden, nur das Ergebnis analysieren kann und die Abläufe im Inneren unüberschaubar komplex sind, lässt sich beim kleineren aber leistungsfähigen Netz der TU Wien zumindest teilweise verstehen, welche Nervenzellen welche Effekte hervorrufen. „Für die Forschung und die weitere Verbesserung des Konzeptes ist das ein großer Vorteil“, sagt Hasani.

Das bedeutet freilich nicht, dass Autos in Zukunft von künstlichen Würmern eingeparkt werden – aber es zeigt, dass künstliche Intelligenz mit der richtigen Architektur deutlich leistungsfähiger sein kann als bisher gedacht.

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