Wie das Gehirn im Schlaf lernt
Schlaf hilft, Erinnerungen zu festigen. Wie genau das funktioniert, haben Forscher aus Bochum und Bonn untersucht. Auch Dinge, die wir vergessen, sind nicht sofort weg.
Welche Aktivitätsmuster im Gehirn auftreten, wenn Menschen Dinge erinnern oder vergessen, haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn untersucht. Sie interessierten sich dabei dafür, wie das Gehirn zuvor Gelerntes im Schlaf erneut durchspielt und einspeichert. Dazu zeichnete das Team die Hirnaktivität von Epilepsie-Patienten auf, die zwecks Operationsplanung Elektroden in das Gehirn implantiert bekommen hatten. Ein Ergebnis: Im Schlaf reaktiviert das Gehirn selbst solche Gedächtnisspuren, die es später nicht mehr erinnern kann.
Dr. Hui Zhang und Prof. Dr. Nikolai Axmacher aus der Bochumer Abteilung für Neuropsychologie beschreiben die Ergebnisse gemeinsam mit Privatdozent Dr. Juergen Fell von der Bonner Klinik für Epileptologie in der Zeitschrift Nature Communications.
Lernaufgabe vor Mittagsschlaf
Für den Versuch bekamen die Probanden eine Reihe von Bildern zu sehen, die sie sich einprägen sollten. Anschließend machten sie einen Mittagsschlaf. Beim Betrachten eines Bildes feuern die Nervenzellen im Gehirn auf eine bestimmte Art und Weise, die sich von Bild zu Bild etwas unterscheidet. Diese Unterschiede in den hochfrequenten Aktivitätsschwankungen – Gamma-Oszillationen genannt – konnten die Forscher messen. Sie analysierten nicht nur die Hirnaktivität während der Lernaufgabe, sondern auch während des Schlafs. Anschließend testeten sie, an welche Bilder sich die Teilnehmer nach dem Schlaf erinnern konnten und an welche nicht.
Gehirn reaktiviert Gedächtnisspuren
Die Gamma-Oszillationen, die typisch für bestimmte Motive waren, traten nicht nur beim Betrachten der Bilder auf, sondern auch während des Schlafs. Das Gehirn reaktivierte die Aktivitätsmuster – und zwar sowohl für Bilder, an die sich die Probanden später erinnerten, als auch für solche, die sie später vergessen hatten. „Die vergessenen Bilder verschwinden also nicht einfach aus dem Gehirn“, folgert Hui Zhang.
Zwei Arten von Hirnaktivität entscheidend
Entscheidend dafür, ob ein Bild vergessen oder behalten wurde, war nicht nur die Reaktivierung der bild-spezifischen Gamma-Oszillationen, sondern auch die Aktivität in einer Hirnregion, die für das Gedächtnis entscheidend ist: im Hippocampus. Hier kommt es zu extrem schnellen Aktivitätsschwankungen, den sogenannten Ripples. Nur wenn die Reaktivierung zeitlich gekoppelt mit den Ripples im Hippocampus auftrat, wurde ein Bild später erinnert. Dieses Phänomen trat nur in bestimmten Schlafphasen auf, aber nicht, wenn die Probanden wach waren.
Ob ein Bild erinnert wird oder nicht, hing noch von einem weiteren Faktor ab, nämlich davon, wie detailliert das Bild im Gehirn verarbeitet wurde. Die Forscher unterschieden die beim Betrachten der Bilder gemessenen Gamma-Oszillationen in eine oberflächliche und eine tiefe Verarbeitungsphase. Die oberflächliche Verarbeitung fand während der ersten halben Sekunde nach der Präsentation des Bildes statt, die tiefere Verarbeitung im Anschluss daran. Nur wenn die Gamma-Oszillation aus der tiefen Verarbeitungsphase während der Ripples reaktiviert wurde, erinnerten sich die Probanden später an das Bild. Wurden die Oszillationen aus der frühen Verarbeitungsphase reaktiviert, führte das zu Vergessen.
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