Langzeitschäden durch Zikaviren?
Klinisch unauffällige Nachkommen infizierter Mütter können unter Spätfolgen leiden
Über das Zikavirus
Meist durch Mücken von Mensch zu Mensch übertragen, löst das Zikavirus bei Erwachsenen vorübergehend leichte unspezifische Symptome wie Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen oder Fieber aus. Infektionen während der Schwangerschaft können zu Fehlgeburten oder neurologischen Störungen bei den Neugeborenen führen. Über die Langzeiteffekte bei vermeintlich gesunden Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft mit dem Zikavirus infiziert waren, war bislang wenig bekannt. Mithilfe eines Schwangerschaftsmodells in der Maus, das Gabriel mit ihrem Team etablierte, konnten verschiedene Arbeitsgruppen die Nachkommen infizierter Muttertiere hinsichtlich zahlreicher Gesichtspunkte untersuchen.
Gewebeveränderungen und Gedächtnisstörungen
Die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Wolfgang Baumgärtner, Leiter des Instituts für Pathologie der TiHo, untersuchte Gewebeproben aus den Gebärmuttern der trächtigen infizierten Mäuse sowie aus dem Gehirn der Nachkommen infizierter Muttertiere und verglich die Gewebeveränderungen mit denen nicht infizierter Tiere. „So konnten wir beispielsweise zeigen, dass Zikaviren insbesondere in Zellen vorkamen, die in der Grenzzone zwischen mütterlichem Gewebe und Embryo liegen. Zudem stellten wir in den virusinfizierten Regionen der Gebärmutter ausgedehnte Zelluntergänge fest“, berichtet Baumgärtner. Diese Veränderungen könnten dazu führen, dass der Fetus während der Trächtigkeit nicht ausreichend versorgt wird und dadurch entweder geschädigt wird oder sogar abstirbt.
Auch bei den Nachkommen konnten die Pathologen der TiHo Veränderungen identifizieren: „Wir konnten Zikaviren im Gehirn der Neugeborenen nachweisen und vermuten, dass diese dort auch Schäden anrichten“, so Baumgärtner. Denn das Forscher-Team stellte fest: Am Tag ihrer Geburt wiesen infizierte Mäuse mehr zerstörte Gehirnzellen auf als ihre nicht infizierten Artgenossen. „Insbesondere die für die Gedächtnisbildung zuständige Region des Hippocampus schien betroffen zu sein“, berichtet Baumgärtner. Da weitere Untersuchungen zeigten, dass männliche Nachkommen infizierter Mütter deutlich höhere Werte des Sexualhormons Testosteron aufwiesen als Nachkommen von nicht infizierten Müttern, suchten die Forscher auch nach geschlechtsspezifischen Unterschieden – und wurden fündig: „Testosteron spielt eine wichtige Rolle in der embryonalen Entwicklung des Nervensystems. Daher konnten wir bei den männlichen Nachkommen infizierter Mütter stärkere pathologische Veränderungen im Hippocampus nachweisen als bei den weiblichen Tieren“, so Baumgärtner.
Ob die genannten Gewebeveränderungen das Verhalten sowie die Lernstrategien bei den ausgewachsenen Nachkommen beeinträchtigen können, untersuchte Professor Dr. Wolfgang Löscher, Leiter des Instituts für Pharmakologie, mit seinem Team. Er berichtet: „Wir konnten zeigen, dass vor allem bei männlichen Mäusen die Lern- und Gedächtnisleistung eingeschränkt war. Um Probleme zu lösen, nutzten die Tiere Strategien, die darauf hinweisen, dass sie auf die Funktionen des Hippocampus nicht zurückgreifen konnten.“
Fazit
Die Ergebnisse aller beteiligten Arbeitsgruppen unterstützen die Annahme, dass eine milde mütterliche Zikavirus-Infektion während der frühen Embryonalentwicklung die Entwicklung des Fetus im Uterus beeinflusst. Nachkommen, die bei der Geburt klinisch unauffällig erscheinen, können infolgedessen im Erwachsenenalter an neuronalen Anomalien sowie an Lern- und Gedächtnisschwächen leiden. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es gerade bei zunächst unauffälligen Kindern von mit dem Zikavirus infizierten Müttern ist, ein gezieltes und geschlechtsspezifisches Monitoring durchzuführen“, erklärt Gabriel.