Viele Erkrankungen des Gehirns sind genetisch miteinander verwandt

28.08.2018 - Österreich

Eine weltweite Studie des internationalen „Brainstorm Consortiums“ analysierte erstmals das Genom von 1,1 Millionen Patienten mit psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen und konnte zeigen, dass zwischen bestimmten Erkrankungen des Gehirns genetische Beziehungen bestehen. So korrelieren signifikant etwa psychiatrische Krankheiten wie Angststörungen und Depressionen miteinander. Aus Österreich war der Kinder- und Jugendpsychiater Andreas Karwautz von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien an der Studie beteiligt, die kürzlich in „Science“ publiziert wurde. Die Diagnostik psychiatrischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Anorexie, Depression oder Schizophrenie, wurde bisher vorwiegend phänotypisch anhand der Symptome vorgenommen. Das ergab jedoch zumeist auch eine gewisse Unschärfe, weil viele Klassifikationsmodelle die tatsächlichen Krankheiten nicht ausreichend beschreiben. Andreas Karwautz, Kinder- und Jugendpsychiater der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni und Mit-Autor der Studie: „Es gibt keine ‚reine‘ Depression, oder „reine“ Anorexie, die nicht Symptome anderer psychischer Störungen aufweist. Eine Diagnose ist immer heterogen“.

VSRao, pixabay.com, CC0

Symbolbild

Die groß angelegte, internationale Studie des Brainstorm Consortiums, eines Zusammenschlusses mehrerer Arbeitsgruppen der Harvard University und des Massachusetts Institute of Technology, analysierte nun Daten zum Genom von rund 265.000 psychiatrischen und neurologischen Patienten sowie 785.000 gesunden Menschen. Untersucht wurde, ob Erkrankungen mit bestimmten genetischen Merkmalen miteinander zusammenhängen. Für die aktuelle Studie wurden gemeinsame Erbanlagen von fünfzehn neurologischen und zehn psychiatrischen Erkrankungen überprüft. Von der MedUni Wien kam Datenmaterial von Patienten mit Essstörungen aus der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Die Studienautoren setzten drei Schwerpunkte der Untersuchung: So wurden die psychiatrischen und neurologischen Krankheiten als jeweils eigene Gruppe betrachtet und dann im Vergleich zueinander. Das zentrale Ergebnis: Es gibt bei einigen psychiatrischen Erkrankungen große genetische Gemeinsamkeiten, wodurch das Risiko sich erhöht, im Fall einer Krankheit auch an der entsprechend korrelierten zu erkranken. Das gilt für Schizophrenie, depressive Episoden, bipolare Störung, Angststörung und ADHS. Nicht aber für das Tourette-Syndrom und Autismus. Diese wiesen kaum genetische Korrelationen auf. Depression und Angststörung wiederum sind genetisch eng verwandt, auch wenn die Symptome unterschiedlich sind. Dasselbe gilt für Magersucht und Zwangsstörung, sowie für Schizophrenie und bipolare Störung.

Resultat des zweiten Schwerpunktes ist, dass neurologische Erkrankungen sich gemäß der Studie allgemein stärker in ihrer Gruppe voneinander genetisch unterscheiden. Die dritte Schwerpunkts-Analyse zeigte, dass sie sich auch von den psychiatrischen Störungen genetisch unterscheiden, mit Ausnahme der Migräne. Da fanden sich Korrelationen mit ADHS, Tourette-Syndrom und depressiven Episoden. Die Studie zeigte also, dass es bei speziellen genetischen Anlagen zu Überlappungen kommt, wodurch die traditionellen diagnostischen Klassifikationen neuerlich in Frage gestellt werden. Ebenso kann man anhand des Materials erkennen, dass genetisch korrelierende Erkrankungen, zum Beispiel Psychosen, ähnliche Symptome aufweisen, die sowohl bei Schizophrenie als auch bei Alzheimerdemenzen auftreten.

Karwautz erklärt: „Diese Genom-Analyse mit erstmals relevant hohen Fallzahlen ist eine gute Basis für eine Verbesserung der psychiatrischen Klassifikationsmodelle mittels einer neurobiologisch fundierten Diagnostik. Es freut mich als Forscher im Rahmen meiner Arbeit an der MedUni Wien zu dieser weltweiten Anstrengung beitragen zu können“.

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