Mit Biochips könnten Gentests Routine werden - Gefahr des Missbrauchs

25.06.2002

Frankfurt/Main (dpa) - «Ich hätte gerne einen Gencheck.» Diese Bitte hören Ärzte immer häufiger. Einen Test, der Erbkrankheiten, Krebs, Bluthochdruck, Herzinfarkt und Diabetes gleichzeitig vorhersagt, gibt es nicht und wird es nach Ansicht von Humangenetikern so bald auch nicht geben. Aber so genannte Biochips könnten DNA-Tests für einzelne Krankheiten bald zur Routine in Praxis und Klinik werden lassen.

Die Möglichkeit, mit Hilfe der Genetik in die Zukunft zu blicken, hat zwei Seiten. Zum einen wünschen nach Beobachtung von Ärzten viele Patienten solche Tests, zum anderen haben sie Angst, dass Dritte solche Daten missbrauchen könnten. Versicherungsunternehmen oder Arbeitgeber, so die Befürchtung, könnten in Zukunft Gentests verlangen, bevor sie eine Police ausstellen oder einen Arbeitsvertrag unterzeichnen.

Eine Firma, die Gen-Tests anbietet, ist die Frankfurter humatrix AG. Rund hundert Kunden im Monat wollen über einen solchen Test zum Beispiel das Risiko abklären, an Brust-, Haut-, oder Dickdarmkrebs zu erkranken. Angeboten werden aber auch Tests für Medikamenten- Unverträglichkeit, Herzkreislauferkrankungen oder die Eisenstoffwechselstörung Hämochromatose, die Milz oder Leber zersetzen kann. Der Hausarzt muss dafür lediglich eine Blutprobe des Patienten einschicken.

Einfache Tests gibt es ab 80 Euro, eine Anfrage kann aber auch das zehnfache kosten, zum Beispiel wenn durch eine Kombinationsuntersuchung Krebsrisiken abgeklärt werden sollen. Die gesetzliche Krankenkasse bezahlt solche Tests in der Regel nicht. Als Ergebnis bekommen die Kunden nur selten eine Ja/Nein-Antwort wie bei Hämochromatose. Meist ist das Resultat eine wertende Einschätzung (Risiko leicht/mittel/hoch) oder aber eine Prozentzahl, erklärt humatrix-Sprecher Michael Ruiss.

Die Prozentzahl besage allerdings nicht: Sie bekommen mit 71- prozentiger Wahrscheinlichkeit Brustkrebs, betont Jan Wolff, Leiter Forschung und Entwicklung. Die Prozentangabe heiße lediglich, dass beispielsweise 16 Prozent der Menschen, die an einer bestimmten Herzkreislauferkrankung leiden, eine ähnliche genetische Mutation aufweisen wie der Kunde. «Alles andere wäre unseriös.»

humatrix sieht dieses «Vorsorgesystem» als «Instrument, Risikobewusstsein zu schaffen», wie Ruiss sagt. Wer rote Haare habe, erklärt Ruiss, wisse, dass er sich nicht stundenlang in die Sonne legen dürfe. Das Wissen um genetisch bedingte - unsichtbare - Risiken könne genauso Anhaltspunkte geben, das Verhalten zu ändern, zum Beispiel häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen.

Wie bei humatrix ist bei den meisten privaten oder den Universitäten angegliederten DNA-Labors die Chiptechnologie noch kein Thema. Die Analysen werden mit Hilfe klassischer Verfahren angefertigt. Das hat zur Folge, dass für jede Fragestellung ein eigener Test gemacht wird. Mit DNA-Chips könnten in Zukunft viele Testreihen auf einmal durchführt werden.

Noch ist die komplizierte und teure Chip-Technik der Forschung vorbehalten, weiß Peter Lichter, Leiter der Abteilung molekulare Genetik am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Aber der Einzug in die Routine-Diagnostik stehe bevor. Als Entscheidungshilfe in Zweifelsfragen werden Ärzte nach Einschätzung Lichters schon bald Rat beim Chip suchen.

Allwissend sind die Chips - wie auch der herkömmliche DNA-Test - freilich nicht. Die Formel «ein Gendefekt - eine Krankheit» stimme nur selten, sagt die Humangenetikerin Barbara Zoll, Mitarbeiterin der Humangenetischen Beratungsstelle der Universität Göttingen. Bei Down- Syndrom, Huntington oder Mukoviszidose könne man durchaus anhand der DNA ein Risikoprofil erstellen.

Bei Krankheiten wie Krebs sieht das aber anders aus. Das weiß auch humatrix-Mitarbeiter Jan Wolff. «Die meisten Erkrankungen haben viele Ursachen.» Welche genetische Mutation welches Risiko bedingt, wisse derzeit niemand: «Das wird noch Jahrzehnte dauern, bis man das sagen kann.»

Die Gefahr des Missbrauchs scheint zumindest was Versicherungen angeht bis Ende 2006 gebannt. Sämtliche privaten Kranken- und Lebensversicherungen haben 2001 eine Selbstverpflichtung unterschrieben, berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Erklärung besagt, dass keine Versicherung von einem Kunden einen Gentest verlangt. Selbst wer sich freiwillig testen ließ, braucht das Ergebnis der Versicherung nicht mitzuteilen.

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