Entwicklung adulter Stammzellen im Frühstadium erforscht

31.03.2010 - Deutschland

Aus adulten menschlichen Stammzellen können sich verschiedene Gewebezellen entwickeln. Welcher Zelltyp sich herausbildet, hängt unter anderem mit den mechanischen Eigenschaften der Zellumgebung zusammen: Auf weichen Oberflächen entwickeln sich nach einigen Tagen Nervenzellen, auf mittelharten Muskelzellen und auf harten Oberflächen entstehen Knochenzellen. Der Göttinger Biophysiker Dr. Florian Rehfeldt hat mittels Fluoreszensmikroskopie das frühe Stadium dieser Differenzierung untersucht. Bereits nach 24 Stunden konnte er erkennen, wie sich die Form und innere Struktur von Stammzellen aus dem Knochenmark in Richtung Muskelzellen verändern. Damit konnte Dr. Rehfeldt nachweisen, dass sich bereits nach sehr kurzer Zeit signifikante Unterschiede durch das komplexe mechanische Zusammenspiel zwischen Zelle und Umgebung herausbilden. Bei seiner Forschung hat er mit Kollegen aus Israel und den USA kooperiert. Die Wissenschaftler entwickelten und erprobten ein physikalisch theoretisches Modell, welches das komplexe System von Zelle und Umgebung mit einfachen Prinzipien der klassischen Mechanik erklärt.

Universität Göttingen

Ansicht einer Zelle (Stressfasern grün, Zellkern blau) im Fluoreszensmikroskop (oben links) und Abbildung derselben Zelle nach der Strukturanalyse, die die Längsausrichtung der Stressfasern zeigt (unten rechts).

"In der Medizin kann es in Zukunft von Nutzen sein, Stammzellen aus dem Knochenmark zu therapeutischen Zwecken einzusetzen. Dafür ist es wichtig zu verstehen, wie das komplexe mechanische Zusammenspiel zwischen Zelle und Umgebung abläuft", so Dr. Rehfeldt. "Deshalb haben wir in unseren Experimenten sehr genau die Ordnung und Struktur des Zytoskeletts von Stammzellen in Abhängigkeit von der Zellumgebung untersucht." Das Zytoskelett ist das mechanische Gerüst, mit dessen Hilfe Zellen Kräfte aufbauen und an die Umgebung übertragen. Dieses Netzwerk im Inneren der Zelle besteht unter anderem aus Akto-Myosin-Stressfasern, die wie Taue kreuz und quer gespannt sind.

Dr. Rehfeldt hat in seinen Experimenten Stammzellen auf unterschiedlich harten Oberflächen wachsen lassen und mit Hilfe elektronischer Bildverarbeitung analysiert, wie sich diese Stressfasern ausrichten. "Die Zellen sind zunächst alle rund. Auf einer Oberfläche mittlerer Elastizität strecken sie sich in die Länge, indem sich die Stressfasern entlang der Hauptrichtung der Zelle ausrichten. Das ist ganz typisch für Muskelzellen", erläutert der Göttinger Biophysiker. "Mit diesem Verfahren haben wir bereits 24 Stunden nach dem Auftragen der Stammzelle auf die Oberfläche starke Indizien für die Entwicklung in Richtung Muskelzelle. Biochemische Analysen können dies erst nach mehreren Tagen nachweisen."

Für die Erklärung des komplizierten Systems haben Dr. Assaf Zemel von der Hebrew University in Jerusalem und Prof. Dr. Samuel Safran vom israelischen Weizman Institute of Science ein physikalisch theoretisches Modell entwickelt. "Obwohl dieses Rechenmodell auf einfachen mechanischen Annahmen beruht, kann es doch erstaunlich genau das komplexe Zusammenspiel von Zelle und Umgebung beschreiben. So können wir grundlegende Fragen der Biophysik von Zellen besser verstehen", so Dr. Rehfeldt. Das Modell soll nun verfeinert werden, um auch das Verhalten anderer Zelltypen erklären zu können.

Dr. Florian Rehfeldt hat die Untersuchungen an der amerikanischen University of Pennsylvania begonnen, an der er als Postdoktorand im Rahmen eines Feodor-Lynen Stipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung forschte. Seine experimentelle Forschung für die Studie setzte er an der Universität Göttingen fort. Hier leitet er seit Oktober 2008 eine Nachwuchsgruppe zur Erforschung der Mechanik von Zellen und Zellumgebungen am Dritten Physikalischen Institut.

Originalveröffentlichung: A. Zemel, F. Rehfeldt et al.; "Optimal matrix rigidity for stress-fibre polarization in stem cells"; Nature Physics (21 March 2010)

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