Schlaf-Wach-Schaltzentrale im Hirn entdeckt

Durchbruch für die Schlafmedizin

13.06.2018 - Schweiz

Bisher wurde vermutet, dass verschiedene Hirnregionen für das Einschlafen und Aufwachen zuständig sind. Nun haben Berner Neurowissenschaftler entdeckt, dass eine einzelne Schaltzentrale im Gehirn den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert. Die Erkenntnisse sind von grosser Bedeutung für die Behandlung von Schlafstörungen und den damit verbundenen Krankheiten.

© Pascal Gugler for Insel Gruppe AG

Mit Hilfe einer Technik namens Optogenetik können die thalamischen Zellen im Gehirn mit Lichtimpulsen gesteuert werden. Je nach Art des Impulses führt die Aktivierung der thalamischen Zellen entweder zu Schlaf oder zu Wachsamkeit, was auf eine zentrale Schlaf-Wach-Schaltzentrale im Thalamus hinweist.

Jede Nacht schlafen wir mehrere Stunden lang, wachen am Morgen auf und starten in den Tag. Wie das Gehirn diesen Schlaf-Wach-Zyklus steuert, ist bislang unklar. Unser Schlaf besteht aus zwei Phasen: dem sogenannten non-rapid eye movement (NREM oder Tief-)Schlaf, und dem REM- (oder paradoxen) Schlaf, in dem am intensivsten geträumt wird. In experimentellen und klinischen Untersuchungen konnten zwar bereits wichtige Schaltkreise im Gehirn identifiziert werden, aber die zugrunde liegenden Mechanismen, die das Einschlafen und Aufwachen sowie die Erhaltung des Schlafprozesses steuern, sind noch weitgehend unbekannt. 

Wenn wir einschlafen, zeigen sich im Elektroenzephalogramm (EEG) rhythmische Oszillationen unseres Gehirns, sogenannte «langsame Wellen». Sie sind wichtig, um uns schlafen zu lassen und uns nach einem Tag voller geistiger und körperlicher Aktivität zu erholen. Bisherige Erkenntnisse liessen darauf schliessen, dass diese langsamen Wellen in der Grosshirnrinde produziert werden, dem oberen Teil des Gehirns unmittelbar unter der Schädeldecke. Im Gegensatz dazu wurde vermutet, dass das Aufwachen von «Aufwachzentren» verursacht würde, die sich im unteren Teil des Gehirns befinden. Dort ist auch der Hirnstamm, der den Neocortex steuert, den stammesgeschichtlich jüngsten Teil der Grosshirnrinde, von dem motorische, sensorische und intellektuelle Funktionen ausgehen.

Nun haben Forschende des Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern entdeckt, dass Nervenzellen im Thalamus, dem grössten Teil des Zwischenhirns, sowohl das Einschlafen als auch das Aufwachen steuern. Der Thalamus ist eine wichtige Schaltzentrale im Gehirn, die mit nahezu allen anderen Gehirnregionen vernetzt ist und wichtige Funktionen unterstützt wie Aufmerksamkeit, Sinneswahrnehmung, Kognition und Bewusstsein. 

Ein- und Ausschalten des Schlafs

Die Forschenden um Prof. Dr. Antoine Adamantidis entdeckten, dass eine kleine Gruppe dieser thalamischen Nervenzellen sowohl das Aufwachen als auch das Einschlafen kontrollieren, indem sie einerseits langsame Wellen generieren, aber auch das Signal zum Aufwachen geben – je nach elektrischer Aktivität. In ihrer Untersuchung setzten die Forschenden eine Technik namens Optogenetik ein, mit der sie Lichtimpulse einsetzten, um die thalamischen Nervenzellen von Mäusen präzise zu steuern. Wenn sie die Nervenzellen mit regelmässigen, lang andauernden Impulsen stimulierten, wachten die Tiere auf. Wenn sie langsame, rhythmische Impulse verwendeten, hatten die Mäuse einen tieferen und erholsameren Schlaf.

Somit konnte zum ersten Mal eine Hirnregion bestimmt werden, die sowohl für den Schlaf als auch das Aufwachen zuständig ist. «Interessanterweise konnten wir auch zeigen, dass die Schlafqualität leidet, wenn die Aktivität der thalamischen Nervenzellen unterdrückt wird», sagt Dr. Thomas Gent, Erstautor der Studie. «In diesen Fällen war die Erholung nach einer schlaflosen Phase schlechter. Deshalb vermuten wir, dass diese Nervenzellen für die Erholung im Schlaf nach einer längeren Wachphase von fundamentaler Bedeutung sind.»

Durchbruch für die Schlafmedizin

Die Ergebnisse sind laut den Forschenden wichtig, weil die aktive Bevölkerung in unserer modernen Welt rund 20 % weniger schläft als vor 50 Jahren und unter chronischen Schlafstörungen leidet. So kann Schlaf, der etwa durch irreguläre Arbeitszeiten verloren geht, nur selten nachgeholt werden. Schlafmangel wird zunehmend mit einer Vielzahl von psychischen Krankheiten in Verbindung gebracht und schwächt das Immunsystem. «Wir sind davon überzeugt, dass ein besseres Verständnis des Schlaf-Wach-Zyklus der Schlüssel zu neuen Schlaftherapien in einer zunehmend schlaflosen Gesellschaft ist», sagt Prof. Antoine Adamantidis.

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