Multiresistente Erreger schnell identifizieren
© Fraunhofer FIT
Infektionen mit multiresistenten Erregern gehören laut WHO zu einer der größten Bedrohungen der Gesundheit. Vor allem in Krankenhäusern sind diese Keime auf dem Vormarsch. Eine der schwersten Infektionen ist die Blutvergiftung. In Deutschland sterben jährlich mehr als 56.000 Menschen an einer Sepsis. Wer daran erkrankt, muss so schnell wie möglich behandelt werden, jede Stunde zählt. Doch das verabreichte Breitbandantibiotikum wirkt oftmals nicht, da die Bakterien resistent gegen das verabreichte Medikament sind. Derzeit kann die Zeitspanne zwischen Verdachtsdiagnose und zielgerichteter Therapie bis zu fünf Tage dauern. Das Problem: Die Diagnostik von resistenten Bakterien beruht auf zeitaufwändigen Kulturverfahren, bei denen nach der Blutentnahme Bakterien vermehrt werden müssen, bevor die Analyse starten kann.
Zielgerichtete Therapie nach neun Stunden einleiten
Ein neues modulares System soll diese Dauer erheblich verkürzen. Erste erfolgreiche Tests belegen, dass Ärzte künftig bereits nach neun Stunden eine zielgerichtete Therapie einleiten können, da sich sowohl das die Infektion auslösende Bakterium sowie jenes Antibiotikum identifizieren lassen, das dagegen wirkt. Im Projekt PathoSept entwickeln Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT gemeinsam mit Partnern einen Chip, auf dem sich das Wachstumsverhalten von Bakterien unter dem Einfluss von Antibiotika analysieren lässt. Die Besonderheit: Die Projektpartner kombinieren verschiedene Verfahren, um die Dauer der Analyse zu minimieren und gleichzeitig die Kosteneffizienz zu meistern. »Aufgrund der phänotypischen und genotypischen Variabilität ist heutzutage kein einzelnes diagnostisches Verfahren in der Lage, durchweg verlässliche Ergebnisse zu liefern«, sagt Fouad Bitti, Wissenschaftler am Fraunhofer FIT.
Das System, mit dem sich multiresistente Keime detektieren lassen, besteht aus vier Modulen: Neben einem Anzuchtmodul zur kontrollierten Vermehrung von Erregern umfasst es Protokolle zum Separieren der Erreger sowie hochsensitive Assays, mit denen die Erreger per qPCR identifiziert werden – einer Vervielfältigungsmethode für Nukleinsäuren, die auf dem Prinzip der herkömmlichen Polymerase-Kettenreaktion (PCR) basiert. Herzstück des Systems ist ein Wachstumsmonitor zur schnellen Quantifizierung der Resistenzen, eine Entwicklung des Fraunhofer FIT. Auch das Anzuchtmodul wurde von den Forschenden am FIT entwickelt.
Software-unterstützte Resistenzdiagnostik
Im Projekt PathoSept werden die Erreger im Anzuchtmodul auf eine kritische Menge vermehrt und anschließend in 96 Töpfchen mit Antibiotikum und Nährmedium gegeben. Der Wachstumsmonitor samt nötiger Analyse-Software beobachtet und dokumentiert in Echtzeit, wie sich die Erreger entwickeln. Algorithmen werten die aufgenommenen Bilder der Bakterien aus und extrapolieren die Wachstumskurve. So lässt sich bereits nach einigen Stunden ermitteln, ob das jeweils eingesetzte Medikament wirkt oder ob die Bakterien dagegen resistent sind und sich ausbreiten. Der Wachstumsmonitor berechnet mit seiner flexibel integrierbaren Software, wie sich die Erreger längerfristig entwickeln werden. Dabei analysiert das Programm sowohl die Größe des Bakterienteppichs – woraus man eins zu eins auf die Anzahl der Bakterien schließen kann – als auch das Verhältnis von lebenden zu abgetöteten Keimen. Die Forscher erhalten somit den Hinweis, welches Antibiotikum die Erreger am schnellsten abtötet, welche Konzentrationen erforderlich sind und welches Bakterium Resistenzen ausgebildet hat. »Damit ist eine gezielte Therapie möglich – ein großer Vorteil, wenn man bedenkt, dass Ärzte derzeit einen Cocktail an Antibiotika verabreichen, in der Hoffnung, dass eines davon wirkt«, so Bitti.
Das System in Form eines Benchtop-Geräts eignet sich für den Einsatz in allen medizinischen Laboren. Aufgrund seiner Standardprotokolle und -schnittstellen lässt es sich problemlos in bestehende Systeme integrieren. Der Wachstumsmonitor befindet sich zur klinischen Testung in den Unikliniken Aachen und Bonn. Nach der Evaluation wird ein erster Demonstrator konstruiert. Auch das Anzuchtmodul wird derzeit klinisch getestet. »Mit unserem modularen diagnostischen Komplettsystem werden wir künftig die Sterberate von Patienten mit einer Sepsis deutlich verringern können«, sagt Bitti.