Weniger ist mehr? Genschalter für gesundes Altern gefunden
Kerstin Wagner / FLI
Wichtig ist daher zu klären, wie sich eine veränderte Kalorienzufuhr auf die Gesundheit während des Alterns auswirkt und welche Gene dabei eine Rolle spielen. Mit diesem Wissen wird es möglicherweise gelingen, neue therapeutische Ansätze zu finden, die das Altern und damit verbundene Krankheiten hinauszögern können.
Forscher des European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) in Groningen, Niederlande, und des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) in Jena, Deutschland, konnten in früheren Studien nachweisen, wie der Eiweißkomplex mTORC1 den Genschalter C/EBPß benutzt, um den Stoffwechsel von Mäusen zu steuern: C/EBPß kann in einer kurzen Variante (LIP) und einer langen Variante (LAP) auftreten. Eine hohe Aktivität vom mTORC1 führt dabei zu der verstärkten Bildung der kurzen (LIP) Variante.
Die Aktivität von mTORC1 wird durch die Nahrungszufuhr gesteuert und kann durch eine kalorienarme Ernährung deutlich gesenkt werden, was wiederum zu einer Hemmung der Bildung von LIP führt. Wird in einem von den Forschern entwickeltem Mausstamm die Bildung der kurzen Variante permanent unterdrückt, ist ein gesünderer Stoffwechsel mit reduziertem Körpergewicht und verbesserter Insulinsensitivität die Folge. Diese LIP-reduzierten Knock-in-Mäuse zeigten eine verbesserte metabolische Gesundheit, die denen der Mäuse ähnelte, die sich kalorienarm ernährten, obwohl die LIP-reduzierten Mäuse keine Diät durchmachten.
Verbesserung der Fitness im Alter?
Die Forscher untersuchten nun aufbauend auf diesen Ergebnissen, ob der Verlust von LIP auch zu einer Verbesserung der Fitness im Alter führt, ähnlich einer Diät. „Die LIP-reduzierten Mäuse sind im Alter schlanker, können besser mit Veränderungen des Blutzuckerspiegels umgehen, haben ein jugendlicheres Immunsystem, sind deutlich fitter und haben eine bessere motorische Koordination“ fasst Prof. Cornelis Calkhoven, ehemaliger Forschungsgruppenleiter am FLI und nun am ERIBA tätig, die wichtigsten Ergebnisse der neuen Studie zusammen.
Außerdem entwickelten die LIP-reduzierten Mäuse später im Leben weniger Krebs als die Kontrollmäuse. „Wir konnten darüber hinaus zeigen, dass die weiblichen Mäuse ohne LIP etwa 20% länger lebten, als Mäuse der Kontrollgruppe“, ergänzt Dr. Christine Müller vom ERIBA; ein Indiz dafür, dass der Verlust von LIP die Lebensspanne deutlich verändern kann.
Obwohl männliche Mäuse mit fehlendem LIP keine erhöhte Lebenserwartung aufwiesen, war auch bei ihnen ein Teil der alternsbedingten Probleme weniger stark ausgeprägt. „Wenn wir therapeutische Wege finden, um den LIP-Spiegel im Körper zu senken oder die Wirkung von LIP zu verhindern, dann können wir in der Zukunft möglicherweise die Entstehung alternsbedingter Krankheiten hinauszögern“, betont Dr. Müller, „und das ganz ohne die Einschränkungen, die mit einer verringerten Kalorienzufuhr verbunden sind.“
Profitieren nur Frauen von einem solchen Eingriff?
„Basierend auf unseren Ergebnissen mit einem einzigen Knock-in-Mausstamm ist dies schwer vorhersehbar“, kommentiert Dr. Calkhoven die gefundenen Forschungsergebnisse. Andere Studien zur Kalorienrestriktion zeigten ebenfalls Unterschiede zwischen Männern und Frauen, deren Ursache aber bisher nicht vollständig verstanden wird. „Deshalb müssen wir weiter forschen, um die von uns beobachteten geschlechtsspezifischen Unterschiede besser zu verstehen“. Ungeachtet dessen zeigt diese Studie, dass mit der Senkung des LIP-Spiegels oder der Hemmung seiner Wirkung ein potenziell neuer Ansatz gefunden wurde, um alternsbedingte Erkrankungen gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. den Alternsprozess zu verlangsamen.
Originalveröffentlichung
"Reduced expression of C/EBPβ-LIP extends health- and lifespan in mice"; Müller C, Zidek LM, Ackermann T, de Jong T, Liu P, Kliche V, Zaini MA, Kortman G, Harkema L, Verbeek DS, Tuckermann JP, von Maltzahn J, de Bruin A, Guryev V, Wang ZQ, Calkhoven CF. eLife. 2018, Apr 30, 7. pii: e34985.