RNA-Modifikationen markieren und aufspüren
Forscher des Exzellenzclusters "Cells in Motion“ entwickeln einen neuen Ansatz
Die Geschichte im Detail
Die genetische Information der DNA wird in einem Prozess, der sogenannten Transkription, in Boten-RNA umgeschrieben. Die so entstandene Boten-RNA oder mRNA – aus dem Englischen messenger RNA – transportiert im Anschluss an die Transkription die genetischen Informationen aus dem Zellkern ins Zellplasma. Dort dient sie als Anleitung zur Proteinherstellung. Proteine wiederum sind die Arbeiter der Zelle und erfüllen alle zellulären Aufgaben.
Wie die doppelsträngige DNA besteht auch die einzelsträngige RNA aus einer Kette sogenannter Nukleotide. An der mRNA gibt es zusätzlich aber auch viele chemische Veränderungen dieser Nukleotide, die RNA-Modifikationen. Sie entstehen, nachdem die genetischen Informationen abgelesen worden sind. Dabei hängen sich einfache Atomanordnungen, die Methylgruppen, an die Nukleotide. „Eine im Moment heiß diskutierte Modifikation ist das N6-Methyladenosin, kurz m6A genannt“, sagt Andrea Rentmeister. Von großem Interesse ist diese Modifikation deshalb, weil sie für eine Reihe von biologischen Vorgängen von Bedeutung zu sein scheint, zum Beispiel für die innere Uhr. Aber auch bei krankhaften Prozessen spielt sie eine Rolle, zum Beispiel bei einigen Krebserkrankungen oder Virusinfektionen.
Biochemiker markierten die RNA-Modifikation
Um die Rolle der m6A besser zu verstehen, wollen die Wissenschaftler wissen: An welchen Stellen der mRNA sitzt die Modifikation genau? Um das herauszufinden, müssen sie diese markieren. Häufig nutzen Biologen hierzu Antikörper, die sich an das zu untersuchende Molekül heften. Dieses Vorgehen hat aber Grenzen, da sich die Antikörper nicht nur an die gesuchten Modifikationen der mRNA, sondern auch an benachbarte Nukleotide heften können. Das macht es schwierig, die Modifikationen genau zu verorten. „Wir wollten die Markierung nun von der chemischen Seite her angehen“, erklärt Andrea Rentmeister. Daher nutzten sie und ihr Team dafür erstmals Propargylgruppen, einen etwas längeren Kohlenwasserstoffrest.
Die Wissenschaftler koppelten die Propargylgruppen an das Cosubstrat – das „Hilfsmolekül" – eines Enzyms und brachten alle drei Komponenten im Reagenzglas mit mRNA-Molekülen zusammen. Dabei ist die Propargylgruppe in ihrer chemischen Struktur ähnlich einem natürlichen Molekül, das von einer Methyltransferase gebunden wird – Methyltransferasen wiederum sind Enzyme und für die Modifikation der mRNA verantwortlich. So konnten die Methyltransferasen die Propargylgruppe auf die RNA übertragen. Mithilfe der sogenannten Klick-Chemie veranlassten die Wissenschaftler, dass die RNA mit Propargylgruppen isoliert und gereinigt werden konnte.
Molekularbiologen spürten die Modifikation auf
Um im nächsten Schritt die so markierte Modifikation aufzuspüren, machten sich die Forscher die Möglichkeit zunutze, mRNA mit einem speziellen Enzym wieder zurück in DNA zu übersetzen. Der dabei entstehende DNA-Strang stellt eine Kopie der vorherigen RNA dar und kann mit molekularbiologischen Verfahren untersucht werden. Die Molekularbiologen um Sebastian Leidel, Gruppenleiter am Exzellenzcluster „Cells in Motion“ und am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster, sequenzierten diesen neu synthetisierten DNA-Strang, lasen also die Nukleotidabfolgen. Dabei wendeten die Wissenschaftler ein Verfahren des „Next Generation Sequencing“ an, womit sie die Nukleotidabfolgen besonders effizient bestimmen konnten. „Mit diesem Verfahren können wir Tausende von Sequenzen parallel analysieren“, sagt Sebastian Leidel.
Der Clou: Dadurch, dass die Biochemiker die Modifikation zuvor mit den Propargylgruppen markiert hatten, konnten die für das Umschreiben der RNA nötigen Enzyme die RNA nicht zurück in DNA transkribieren. „Sie stellten ihre Aktivität an den markierten Stellen ein, und es entstand eine Art Stopp-Signal“, erklärt Chemikerin Katja Hartstock, Erstautorin der Studie. Diese Stopp-Signale konnten die Forscher während der Sequenzierung erkennen und damit die Stellen, an denen die mRNA-Modifikation auftritt, aufspüren.
Nach den anfänglichen Versuchen im Reagenzglas wandten die Wissenschaftler ihre neue Methode in einer Kultur von menschlichen Epithelzellen, den HeLa-Zellen, an. Die Wissenschaftler fütterten die Zellen mit einem Propargyl-markierten sogenannten Aminosäurevorläufer, den die Zellen „fraßen“ und daraufhin die Markierung in Gang brachten. Wie schon im Reagenzglas festgestellt, banden sich die Propargylgruppen mithilfe der Methyltransferasen an die RNA und machten es auch hier möglich, mit einem „Next Generation Sequencing“ die gesuchte RNA-Modifikation aufzuspüren.
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher ihre Methode in lebenden Organismen anwenden, um die Bedeutung der Modifikation innerhalb der Entwicklung zu untersuchen. Zebrafische eignen sich gut dafür, da sie sich sehr schnell entwickeln und die Modifikationen somit schneller transkribiert, aber auch schneller wieder abgebaut werden.