Altern Kinder betagter Väter schneller?
Alter des Vaters kann Lebensdauer der Nachkommen beeinflussen
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Der Zeitpunkt Eltern zu werden, hat sich in den westlichen Gesellschaften immer weiter nach hinten verschoben. Das ist nicht unproblematisch, denn ein hohes Alter der Mutter gilt schon lange als Risikofaktor für die Gesundheit der Kinder. Und inzwischen hat sich herausgestellt: Ein fortgeschrittenes Alter des Vaters bei der Zeugung kann sich ebenfalls ungünstig auswirken.
„Statistisch gesehen treten manche Erkrankungen bei Kindern älterer Väter häufiger auf als unter den Nachkommen junger Männer. Das gilt zum Beispiel für psychiatrische Störungen wie Autismus oder Schizophrenie“, erläutert Privatdozent Dr. Dan Ehninger, Arbeitsgruppenleiter am DZNE in Bonn. Sein Team war an der aktuellen Studie federführend beteiligt und kooperierte dabei mit der German Mouse Clinic, München und weiteren Partnern. „Epidemiologische Studien beschreiben einen Zusammenhang zwischen väterlichem Alter und Gesundheit der Nachkommen. Für diesen Zusammenhang kann es theoretisch viele Ursachen geben. Wir haben einen bestimmten Aspekt untersucht. Uns ging es um die Frage, ob altersabhängige Veränderungen in der männlichen Keimbahn die Gesundheit der Nachkommen beeinflussen können. Gibt es vielleicht einen generationsübergreifenden Effekt? Insbesondere haben wir uns hierbei für die Lebensspanne sowie für altersabhängige Veränderungen in den Nachkommen interessiert.“
Studie an Mäusen
Die Wissenschaftler untersuchten dazu zwei Gruppen von Mäusen. Diese umfassten jeweils Nachkommen junger beziehungsweise alter Männchen. Die jungen Mäuse-Väter waren bei der Paarung vier Monate alt gewesen und somit junge Erwachsene. Die alten Väter mit einem Alter von mindestens 21 Monaten waren hingegen schon recht betagt. Die Mäuse-Mütter waren durchgängig vier Monate alt. Sämtliche Mäuse-Väter gehörten einem bestimmten Mausstamm mit den jeweils gleichen Erbanlagen an. Das galt auch für die Muttertiere. Alle Nachkommen wuchsen unter den gleichen Bedingungen auf und hatten keinen direkten Kontakt mit dem Vatertier. Tiere aus beiden Gruppen wurden im Alter von sechs beziehungsweise 19 Monaten untersucht.
„Wir haben uns 13 biologische Parameter angeschaut, die sich bei Mäusen bekanntermaßen mit dem Alter verändern. Dabei ging es unter anderem um Ablagerungen in den Nieren, Gewebeveränderungen in der Lunge und Veränderungen an Proteinen, die auf oxidativen Stress hinweisen“, sagt Prof. Martin Hrabĕ de Angelis, Direktor der German Mouse Clinic, München. Studien mit Nachkommen alter Mäuse-Väter habe es schon vorher gegeben, so Hrabĕ de Angelis. „Diese haben sich allerdings kaum mit möglichen Auswirkungen auf Alterungserscheinungen befasst.“
Kürzere Lebensdauer
Fazit der Analysen: Bei den 19-monatigen Nachkommen alter Männchen waren die altersassoziierten Merkmale stärker ausgeprägt als beim gleichaltrigen Nachwuchs junger Männchen. „In Bezug auf unsere Messparameter kann man durchaus sagen, dass die Nachkommen der betagten Mäuse-Väter schneller alterten“, so Dr. Kan Xie, Wissenschaftler im Team von Ehninger und einer der Erstautoren der aktuellen Veröffentlichung. Unterschiede zeigten sich auch in der Lebensdauer: Die Nachkommen junger Männchen lebten im Durchschnitt länger als Artgenossen mit alten Vätern. Der sogenannte Median der Altersverteilung war um rund zwei Monate nach hinten verschoben.
Steuerungselemente des Erbguts
Die Wissenschaftler gehen nicht davon aus, dass die unterschiedliche Entwicklung durch Fehler im Erbgut der Nachkommen hervorgerufen wurde. „Im Vergleich der beiden Mäusegruppen haben wir keine messbaren Unterschiede in den Mutationsraten feststellen können. Jedenfalls nicht mit unserer Methodik“, sagt Arbeitsgruppenleiter Ehninger. Auffälligkeiten entdeckten die Forscher jedoch in den Spermien der Mäuse-Väter – und zwar an den „epigenetischen Markierungen“ der in den Spermien enthaltenen Erbsubstanz. Hierbei handelt es sich um an der DNA haftende Methyl-Gruppen. Diese chemischen Anhängsel tragen dazu bei, Regionen des Erbguts an- beziehungsweise abzuschalten und dadurch die Genaktivität zu regulieren.
„Im Methylierungsmuster der Spermien haben wir deutliche Unterschiede zwischen jungen und alten Mäuse-Vätern festgestellt. Diese Differenzen waren offensichtlich altersbedingt. Was nicht überraschend ist, denn es ist schon länger bekannt, dass sich die Methylierung mit Alter und Lebensumständen verändern kann“, erläutert Ehninger. Allerdings fanden die Wissenschaftler bei den Nachkommen ähnliche Unterschiede in der Methylierung der DNA. „Da gab es einen Überlapp zwischen Vätern und Nachwuchs. Demnach könnten diese Merkmale von den Vätern an die nächste Generation weitergegeben worden sein.“ Lange habe man angenommen, dass vom Vater stammende epigenetische Markierungen bei der Verschmelzung von Samen- und Eizelle gelöscht werden, so Ehninger weiter. „Man weiß mittlerweile jedoch, dass Methylierungen diesen Prozess teilweise überstehen können.“
In der aktuellen Studie wirkte sich das unter anderem auf Gene aus, die mit der Regulation der Lebensspanne und alternsassoziierten Veränderungen in Zusammenhang gebracht werden. „Wir konnten nachweisen, dass die Nachkommen alter Väter unter anderem einen erhöhten Aktivitätsstatus im sogenannten mTORC1-Signalweg aufwiesen. Dieser molekulare Signalweg beeinflusst bekanntermaßen das Wachstum und viele Stoffwechselprozesse“, erläutert Ehninger.
Und beim Menschen?
Was bedeuten diese Ergebnisse für den Menschen? „Was wir beobachtet haben, sind grundlegende Mechanismen. Diese könnten auch beim Menschen relevant sein. Doch ob das zutrifft und in welchem Umfang, wissen wir derzeit nicht. Darüber gibt unsere Studie keine Auskunft. Insofern lassen sich unsere Ergebnisse nicht unmittelbar auf den Menschen übertragen“, sagt Ehninger. So gebe es bislang nur begrenzte Daten darüber, inwiefern sich die epigenetischen Markierungen menschlicher Spermien mit dem Alter verändern. „Unsere Ergebnisse sind aber sicher ein Anlass, sich das eingehender anzuschauen.“