Erste Verteidigungslinie gegen Grippe weiter entschlüsselt

23.02.2018 - Deutschland

Alle Jahre wieder – zieht die Grippe über Deutschland hinweg. Derzeit nehmen die Krankheitsfälle der aktuellen Grippewelle noch weiter zu. Dringen Influenzaviren – die Erreger der Grippe – in unseren Körper ein, erkennt sie das Immunsystem mithilfe verschiedener Rezeptoren als fremd und startet ein Abwehrprogramm. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben nun die genaue Rolle eines bestimmten Rezeptors in dieser ersten Verteidigungslinie untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass der Rezeptor die natürlichen Killerzellen anschaltet, die wiederum über Botenstoffe weitere Immunzellen aktivieren und dann von Viren befallene Körperzellen beseitigen. Die Entschlüsselung dieser Zusammenhänge kann neue Wege eröffnen, um die Prävention und Therapie von Grippeinfektionen zu verbessern.

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Symbolbild

Die Grippe fordert unser Immunsystem immer wieder aufs Neue heraus: Hat es gelernt, ein aktuell kursierendes Grippevirus zu erkennen und zu beseitigen, kommt mit der nächsten Infektionswelle schon wieder ein unbekanntes Virus, denn die Erreger der Grippe verändern sich permanent. Dagegen wappnet sich das Immunsystem mit verschiedenen Rezeptoren, die Krankheitserreger als fremd erkennen und die körpereigene Abwehr aktivieren. Zu dieser ersten, angeborenen Verteidigungslinie des Immunsystems gehören Rezeptoren mit der Bezeichnung TLR (für „Toll-like-Rezeptor“) und natürliche Killerzellen, die Botenstoffe abgeben und infizierte Körperzellen abtöten. In der frühen Phase einer Infektion holen sich die Killerzellen dazu noch Verstärkung aus dem Immunsystem: Sie produzieren den Botenstoff Interferon gamma und aktivieren damit weitere Abwehrzellen, mit denen sie gemeinsam gegen die Viren vorgehen.

„Das angeborene Immunsystem besitzt mehrere Rezeptoren, die Influenzaviren erkennen können, doch sind ihre genauen Funktionen in der Abwehrkette bislang nicht bekannt“, sagt Dr. Sabine Stegemann-Koniszewski, die die Studien in der HZI-Forschungsgruppe „Immunregulation“ von Prof. Dunja Bruder durchgeführt hat und mittlerweile bei Prof. Jens Schreiber an der Magdeburger Universitätsklinik für Pneumologie arbeitet. „Die verschiedenen Rezeptoren können die Immunantwort bei einer Infektion steuern und sind deshalb auch potenzielle Ansatzpunkte für neue Therapien. Daher wollten wir die Zusammenhänge der ersten Abwehrreaktion im Detail aufklären.“

Einer dieser Rezeptoren ist der sogenannte Toll-like-Rezeptor 7, kurz TLR7, der bei Mäusen gezielt ausgeschaltet wurde. Um seine Funktion in der Immunabwehr zu charakterisieren, haben die Wissenschaftler diese Mäuse mit Influenza A-Viren in geringer Menge infiziert, die nur eine leichte Erkrankung auslöst. Obwohl den Mäusen das Rezeptormolekül TLR7 fehlte, konnten sie die Infektion gut beseitigen. „Das Ergebnis hat uns überrascht, denn im Krankheitsverlauf der Mäuse mit und ohne TLR7 ließen sich nur marginale Unterschiede feststellen“, sagt Sabine Stegemann-Koniszewski. Dafür fanden die Forscher einen wesentlichen Unterschied, als sie die Produktion der Botenstoffe untersuchten: Ohne TLR7 ließen sich in der frühen Phase der Infektion in der Lunge bis zu 75 Prozent weniger Interferon gamma nachweisen, und auch andere Botenstoffe waren reduziert. Dem lag eine deutlich eingeschränkte Aktivierung der natürlichen Killerzellen zugrunde, die normalerweise das Interferon gamma freisetzen.

„Die verspätete Bildung von Interferon gamma sprach dafür, dass TLR7 dafür verantwortlich ist, die natürlichen Killerzellen rasch zu aktivieren, sobald er Influenza A-Viren erkennt“, sagt Stegemann-Koniszewski. „Dass die Killerzellen in Abwesenheit von TLR7 trotzdem aktiviert werden, wenn auch deutlich verspätet, ist auf andere Rezeptoren zurückzuführen, die den Defekt ausgleichen.“ Außerdem würden bei einer lokalen Infektion – wie hier in der Lunge – auch Killerzellen in anderen Organen aktiviert, sodass das gesamte Immunsystem in Alarmbereitschaft versetzt wäre. Bei Mäusen ohne TLR7 beschränkte sich dies lediglich auf die Lunge.

„Auch wenn die Mäuse ohne TLR7 die Influenzaviren erfolgreich beseitigen konnten, spielt der Rezeptor eine wichtige Rolle in der Immunabwehr, da er schnell auf die Killerzellen wirkt. Die Mäuse wurden von uns nur schwach infiziert, aber im Ernstfall ist die Geschwindigkeit der Reaktion ein entscheidender Faktor“, sagt Dunja Bruder, die neben der Leitung der HZI-Forschungsgruppe „Immunregulation“ auch eine Professur für Infektionsimmunologie an der Otto-von-Guericke-Universität innehat. In früheren Studien konnte Bruders Forschungsteam zudem zeigen, dass grippeinfizierte Mäuse, denen TLR7 fehlt, besser vor der extrem schnellen Ausbreitung einer zusätzlichen Infektion mit Pneumokokken – den Erregern der Lungenentzündung – geschützt waren.

„Interferon gamma kann die Beseitigung von bakteriellen Erregern durch die Fresszellen des Immunsystems hemmen. Da seine Bildung bei einer Grippeinfektion in Abwesenheit von TLR7 jedoch verzögert erfolgt, können die Fresszellen eindringende Bakterien vermutlich zunächst effektiver bekämpfen“, sagt Bruder.

Neben dem Aufspüren von Krankheitserregern spielen Toll-like-Rezeptoren übrigens auch in der Tumorbekämpfung eine Rolle, denn die von ihnen aktivierten Killerzellen können auch Tumorzellen beseitigen. Mittlerweile gebe es sogar eine medizinische Creme („Aldara“), die Toll-like-Rezeptoren anschaltet und gegen von Viren verursachte Warzen oder schwache Formen des Hautkrebses eingesetzt wird.

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