"Molekularer Link" zwischen Alzheimer und Krebs gefunden

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Göttingen zeigen: Das Alzheimer-Protein APP ist ein wichtiger Wachstums-fördernder Faktor für Tumoren, seine Menge kann pharmakologisch beeinflusst werden

09.03.2010 - Deutschland

Wer an Krebs erkrankt, ist offenbar auffällig geschützt vor Alzheimer. Das legen epidemiologische Beobachtungen nahe. Danach erkranken Menschen gleichen Alters mit einer Krebserkrankung weniger an der Alzheimer Demenz. Ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen Krebs und Alzheimer wird weltweit diskutiert. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe für Molekulare Psychiatrie (Leiter: Prof. Dr. Thomas Bayer) in der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen liefern jetzt eine Erklärung für das Phänomen. Die UMG-Forscher können zeigen, auf welche Weise das "Alzheimer-Protein" Amyloid-Precursor-Protein (APP) in seiner Funktion als Wachstumsfaktor bei Krebserkrankungen wirksam werden kann. Sie konnten nun erstmals die molekularen Mechanismen aufklären, die der wachstumsfördernden Funktion zu Grunde liegen.

"Die Hinweise aus der Epidemiologie haben wir als Spur aufgenommen, um mehr über die physiologischen und pathophysiologischen Funktionen des APP herauszufinden", sagt Prof. Dr. Thomas Bayer. Die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe zeigen nun, dass APP bei Krebs und Alzheimer offenbar eine unterschiedliche Rolle spielt. Grundlegend für den Unterschied ist: Wenn APP sich spaltet, entsteht entweder schützendes sAPPalpha oder giftige Abeta-Peptide. "Bei Tumoren findet sich eine Betonung der wachstumsfördernden Funktion von APP. Es tritt daher als pathologisch wichtiger Tumor-fördernder Faktor auf. APP schützt und unterstützt Krebszellen, die vor allem immer weiter wachsen wollen", sagt Prof. Bayer. Bei der Alzheimer Demenz ist das genaue Gegenteil der Fall. Hier fehlt die Zell-schützende Funktion von APP. Prof. Bayer: "Bei der Alzheimer Demenz scheint das Gleichgewicht zwischen schützender Funktion und giftiger Wirkung verschoben zu sein. Es überwiegt die toxische Funktion intraneuronaler Abeta-Peptide. Dies konnten wir in Tiermodellen belegen."

Die Ergebnisse

"Wir konnten zeigen, dass APP eine wichtige Rolle als Wachstumsfaktor in Tumoren hat. Die Expression von APP bei Patienten mit Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs ist im Tumorbereich deutlich erhöht.", sagt Bayer. "Die gesunden Gewebebereiche zeigen nur niedrige APP-Spiegel. In Zellkultur konnten wir nun belegen, dass die durch "knock-down", also das Ausschalten, von APP durch siRNA das Wachstumsverhalten von Tumorzellen verlangsamt wird. Bei der systematischen Suche nach einem APP-abhängigen Krebs-Hemmstoff (sog. Tumorinhibitoren) konnten wir das Antiepileptikum Valproinsäure (VPA) sowie Trichostatin A (TSA) identifizieren.

Die molekularen Mechanismen

VPA und TSA sind hochwirksame Hemmstoffe von molekularen Katalysatoren (Enzymen), die die Packung der Erbsubstanz (DNS) im Zellkern beeinflussen. Durch diesen Prozess werden Gene angeschaltet, deren Produkte APP "wegfangen". Die Folge: Die Menge an APP als Wachstums-fördernder Faktor vermindert sich in den Tumoren. "Eine signifikante Hemmung des Tumorwachstums, die sich mit einer Therapie erzielen lässt, ist also die Folge der Behandlungen mit so genannten HDAC-Inhibitoren", sagt Prof. Bayer. "Die Expression von APLP2, einem verwandten Protein von APP bleibt hingegen unverändert. Diese Befunde zeigen, dass die Behandlung mit HDAC-Inhibitoren das Tumorwachstum reduzieren, indem sie gezielt die wachstumsfördernde Funktion von APP reduzieren."

Originalveröffentlichung: Venkataramani, V., Rossner, C., Iffland, L., Schweyer, S., Tamboli, I., Walter, J., Wirths, O., and Bayer , T. A.; "The histone deacetylase inhibitor valproic acid inhibits cancer cell proliferation via down-regulation of the Alzheimer amyloid precursor protein"; Journal of Biological Chemistry 2010

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