Deutscher Ethikrat veranstaltete Forum zur Ethik der Synthetischen Biologie
Das noch junge Forschungsfeld der Synthetischen Biologie wird immer öfter mit Schlagzeilen wie "lebendige Maschinen", "BioBausteine" und "künstliche Zellen" in Verbindung gebracht. Forscher wollen mithilfe standardisierter Genmodule und auf der Grundlage ingenieurswissenschaftlicher Prinzipien Lebewesen maßgeschneidert zusammensetzen.
Aufbauend auf den Errungenschaften in DNA-Sequenzierung und -Synthese, sei es möglich, komplexe Genmodule im Labor zügig zu analysieren, zu manipulieren und von Grund auf neu zu kreieren, erklärte Bärbel Friedrich in ihrem einführenden Vortrag. Ziel der Synthetischen Biologie sei die Erschaffung nützlicher Mikroorganismen, die zum Beispiel pharmazeutische Wirkstoffe oder Biotreibstoffe zuverlässig und überschaubar herstellten. Die bestehenden Sicherheitsrisiken seien durch das Gentechnikgesetz abgedeckt; außerdem ließen sich Sicherheitsmechanismen installieren, um eine Vermehrung in freier Wildbahn zu verhindern.
Thema des anschließenden Podiumsgespräch waren die ethischen und anthropologischen Aspekte der Synthetischen Biologie. Unter der Moderation von Ethikratsmitglied Wolf-Michael Catenhusen diskutierten der Philosoph Andreas Brenner und der Theologe Peter Dabrock mit den Ratsmitgliedern Volker Gerhardt und Eberhard Schockenhoff darüber, ob die Synthetische Biologie mit ihrem Anspruch, völlig neuartiges Leben zu erschaffen, unser Verhältnis zum Leben selbst verändern und zu einem Verständnis des Menschen als "homo creator" mit neuen Aspekten des Selbstverhältnisses führen könnte.
Andreas Brenner nannte als wesentliche Herausforderungen der Synthetischen Biologie Fragen der Risikoabschätzung, der globalen Gerechtigkeit und des Verständnisses von "Leben". Wenn Leben nicht mehr als das Gewordene, als das Geschöpfte, sondern als das Gemachte angesehen werde, sei die Würde der Natur betroffen. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit einer ethischen und einer kulturellen Debatte.
Volker Gerhardt sieht die Synthetische Biologie nicht allein in der Tradition der Naturwissenschaften, die nach kausal-analytischen Methoden die Natur untersucht, sondern auch in der Tradition der Philosophie, die aus dem Interesse an einer Einheit der Natur heraus diese Natur nach einem einheitlichen Verfahren untersucht. Wenngleich dies auch auf die Synthetische Biologie zutreffe, so bedeute sie einen stärkeren und tieferen Eingriff in die Selbststeuerungsprozesse des Lebens. In der Konsequenz steige die Verantwortung nicht nur des Individuums, sondern in diesem Fall besonders der Gesellschaft.
Peter Dabrock interessiert sich besonders dafür, wie in der öffentlichen Debatte zur Synthetischen Biologie - stärker als bei anderen Verfahren der neueren Biotechnologien - das Motiv des "playing God" aufgegriffen werde. Es habe sich gezeigt, dass vielen Menschen die Erschaffung von Leben unheimlich sei, weil die Grenze von Leben und Nicht-Leben verschwimme. Hier sieht Dabrock dringenden Diskussionsbedarf sowohl aufseiten der Wissenschaften zu Möglichkeiten und Grenzen der Synthetischen Biologie als auch seitens der Öffentlichkeit zur Frage, welche Forschungswege sie für nicht akzeptabel hält.
Für Eberhard Schockenhoff ist die Verwendung der "playing God"-Metapher eine deutliche Dramatisierung, denn die Synthetische Biologie erreiche nur insofern neue Dimensionen, als Prozesse der Natur nachgestellt, d. h. in konstruktiver Absicht verwendet werden. Lebendiges als Verfügungsmasse für unsere Bedürfnisse zu erschaffen, ohne diese selbst in ethischer Verantwortung zu regulieren, sei eine Verarmung unseres Naturbezuges.
Im Mittelpunkt der abschließenden Diskussionsrunde mit dem Publikum standen Fragen nach der Risikoforschung bzw. Technikfolgenabschätzung und möglichen Regulierungsmechanismen im Bereich der Synthetischen Biologie, aber auch nach der Relevanz des Menschenwürde-Begriffs in der Diskussion um die Synthetische Biologie.
Der Deutsche Ethikrat wird prüfen, wie er den ethischen Diskurs zur Synthetischen Biologie weiter begleiten kann.