MDC-Forscher dem Geheimnis der Berührung auf der Spur
Der Tastsinn befähigt den Menschen über die Haut selbst leichteste Berührungen und Vibrationsreize wahrzunehmen. Dabei spielen mechanosensitive Ionenkanäle eine entscheidende Rolle. Ionenkanäle sind Proteine, die die Zellmembran von innen nach aussen durchspannen und durch die Ionen aus der Zelle heraus oder in die Zelle hinein gelangen können, sobald der Ionenkanal geöffnet ist. Dr. Jing Hu und Prof. Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch haben jetzt entdeckt, dass ein Proteinfilament für die Öffnung und Schließung spezieller mechanosensitiver Ionenkanäle unerläßlich ist.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Öffnung und Schließung dieser Ionenkanäle buchstäblich "am seidenen Faden" hängt. Diese "seidenen" Fäden sind allerdings Proteinfilamente, die von sensorischen Nervenendigungen in der Haut gebildet werden. Sie sind, so vermuten die Forscher, wahrscheinlich integraler Bestandteil des mechanosensitiven Mechanismus. Er liegt der Empfindung von Berührungsreizen zugrunde.
Die Proteinfilamente sind ca. 100 nm lang und fest mit der extrazellulären Matrix (ECM) verankert. Wie Dr. Hu and Professor Lewin zeigen konnten, befinden sich diese Proteinfilamente in so unmittelbar in der Nähe zu den mechanosensitiven Ionenkanälen in den sensorischen Nervenendigungen in der Haut, dass sie die Ionenkanäle wahrscheinlich direkt öffnen.
Die Wissenschaftler konnten in Experimenten mit neuronalen Zellkulturen sowie in Versuchen mit Mäusen zeigen, dass diese 100 nm langen Proteinfilamente für die Öffnung mechanosensitiver Ionenkanäle in der Haut benötigt werden: Spalteten die Wissenschaftler die Proteinfilamente mit Hilfe eines Enzyms, zerstörten sie also temporär die Verbindung der neuronalen Endigung zur extrazellulären Matrix, reagierten diese Neuronen nicht mehr auf Berührungsreize. Nach 12 Stunden hatten die sensorischen Nervenendigungen in der Haut jedoch die Proteinfilamente wieder gebildet, und die Neuronen gewannen ihre Berührungsempfindlichkeit zurück.
"Das bedeutet, dass die Anwesenheit dieser Proteinfilamente für Berührungsempfindungen unerläßlich ist. Die Proteinfilamente machen damit mechanosensitive Ionenkanäle hoch empfindlich für mechanische Stimuli und sind möglicherweise direkt involviert in deren Öffnungs- und Schließmechanismen. Andererseits spricht das auch dafür, dass allein die Dehnung sensorischer Membranen, die durch mechanische Stimuli ausgelöst werden können, zumindest in Berührungsrezeptoren offensichtlich keine signifikante Rolle spielt." erklärt Prof. Lewin.
Allerdings verhält es sich etwas anders, wenn es um die sensorische Verarbeitung von Schmerzenreizen geht. "Schmerzrezeptoren hängen nicht von der Existenz dieser Proteinfilamente ab", betont Prof. Lewin. Die Neurobiologen gehen aber davon aus, dass diese Proteinfilamente in Zukunft möglicherweise doch für die Medizin interessant werden könnten. Etwa, wenn es darum geht, Menschen, deren Tastsinn aufgrund ihres Alters beeinträchtigt ist, zu helfen, sowohl ihr Wohlbefinden als auch ihre Mobilität zu verbessern. Zudem sind Krankheitssymptome bekannt, die sich durch eine Überempfindlichkeit (Hypersensibilität) gegenüber Berührungen auszeichnen. Das ist zum Beispiel der Fall bei neuropathischen Schmerzzuständen, bei denen leichteste Berührungen schon als schmerzhaft empfunden werden. Hier könnten die Ergebnisse der Wissenschaftler helfen, therapeutische Ansätze zu entwickeln, um die Symptome neuropathischer Schmerzen zu lindern.
Originalveröffentlichung: Jing Hu, Li-Yang Chiang, Manuel Koch and Gary R. Lewin; "Evidence for a protein tether involved in somatic touch"; Nature Neuroscience 2010.
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