Falsch gefaltete Fasern

Schockgefroren unter dem Elektronenmikroskop: mechanische Eigenschaften von Alzheimer-Amyloidfibrillen unter der Lupe

28.01.2010 - Deutschland

Alzheimer, Parkinson, Typ-II-Diabetes und Prionenerkrankungen wie BSE stehen in Zusammenhang mit der Ablagerung von Amyloidfibrillen in Geweben und Organen. Dabei handelt es sich um faserartige Verklumpungen falsch gefalteter Eiweiße, deren genaue Struktur und Rolle in den pathologischen Prozessen bislang noch nicht umfassend verstanden sind. Anhand elektronenmikroskopischer Aufnahmen schockgefrorener Proben untersuchten Forscher jetzt die genaue Struktur von Alzheimer-Amyloidfibrillen und schätzen ihre mechanischen Eigenschaften ab. Wie das Team in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, sind diese Fibrillen sehr steif – eine der wesentlichen Ursachen für ihre Pathogenität.

Weil sich Amyloidfibrillen mit traditionellen biophysikalischen Verfahren nur schwer analysieren lassen, mussten Marcus Fändrich (Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle/Saale), Carsten Sachse (MRC Laboratory of Molecular Biology, Cambridge, Großbritannien) und Nikolaus Grigorieff (Brandeis University, Waltham, USA) anders vorgehen: Sie untersuchten Alzheimer-Amyloidfibrillen mithilfe der Kryoelektronenmikroskopie. Die Proben werden dabei innerhalb von Sekundenbruchteilen schockgefroren und dann elektronenmikroskopisch untersucht. „Diese Experimente ermöglichten es uns, die Struktur der Fibrillen mit einer bislang nicht erreichten Auflösung zu untersuchen,“ erläutert Fändrich.

Die Fibrillen erscheinen als etwa 20 nm breite verdrillte Bänder, die in den kryo-elektronenmikroskopischen Rohaufnahmen oft verbogen sind. „Diese unterschiedlich verbogenen Fibrillen sind sozusagen Momentaufnahmen der Fibrillen in Lösung,“ sagt Fändrich. „Anhand der unterschiedlichen Verbiegungen und Verdrillungen errechneten wir, wie steif die Fibrillen sind“. Dabei zeigte sich, dass die Alzheimer-Amyloidfibrillen relativ starre Strukturen darstellen. „Die unkontrollierte Bildung solch steifer Fibrillen ist vermutlich für die Pathogenität von Amyloidfibrillen von entscheidender Bedeutung,“ berichtet Fändrich. „Bei vielen Amyloiderkrankungen lagern sich die Fibrillen vorzugsweise in Geweben ab, die kontraktil oder elastisch sein müssen, wie etwa dem Herzmuskel oder den Wänden von Blutgefäßen. Medizinische Befunde deuten darauf hin, dass die Fibrillen diese Gewebe versteifen“.

“Außerdem könnten unsere Daten helfen, die Anwendungsmöglichkeiten von Amyloidfibrillen als neuartige Werkstoffe in der Bionanotechnologie besser abzuschätzen,“ berichtet Fändrich. Amyloidfasern stellen nämlich aufgrund ihrer Materialeigenschaften und ihrer leichten Modifizierbarkeit potenziell interessante neuartige Baustoffe dar.

Originalveröffentlichung: Marcus Fändrich, et al.; "Kryoelektronenmikroskopische Bestimmung der nanoskaligen Flexibilität von Amyloidfibrillen"; Angewandte Chemie 2010, 122, No. 7.

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