Charité und Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin entdecken umprogrammierbare Immunzellen
Neue Therapieoption gegen Asthma und Allergien
Bisher gingen Forscher davon aus, dass die Prägung von Th-Zellen auf einen bestimmten Erregertyp unwiderruflich sei. Nun konnten Immunologen der Charité - Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin (DRFZ) erstmals zeigen, dass sich diese Zellen umprogrammieren lassen. Die Entdeckung eröffnet neue Optionen zur Therapie von Asthma, Allergien und anderen immunologischen Erkrankungen.
Wenn Krankheitserreger in den Organismus eindringen, aktiviert dies die Th-Zellen und prägt sie auf genau diese "Angreifer". Bislang waren fünf Untergruppen von Th-Zellen bekannt. Th1-Zellen bekämpfen krankmachende Keime und Viren innerhalb der Zellen des menschlichen Körpers. Th2-Zellen dagegen wehren außerhalb der Zellen vorkommende Erreger und Parasiten ab. Sie sind aber auch für die Entstehung von Asthma und Allergien verantwortlich. Jeder Th-Zelltyp wird gesteuert von einem bestimmten Genregulator - dem so genannten Schlüssel-Transkriptionsfaktor. Die Prägung der Th-Zellen galt bisher als unumkehrbar.
Eine Forschergruppe der Charité und des DRFZ um Professor Dr. rer. nat. Max Löhning konnte jetzt nachweisen, dass sich bereits spezialisierte Th2-Zellen umprogrammieren lassen. Dafür injizierten sie Mäusen diese Zellen, die auf die Abwehr von Parasiten geprägt sind. Anschließend infizierten sie die Mäuse aber gezielt mit Viren. Die Virusinfektion löst bestimmte Immunsignale aus. Mit diesen Signalen gelang es den Forschern, die Th2-Zellen auch zur Bekämpfung der viralen Erreger anzuregen.
Sie fanden heraus, dass durch die neue Prägung auf Viren die anfängliche Spezialisierung auf Parasiten nicht verloren geht. Stattdessen entsteht ein neuer Zwischentyp, die so genannten 'Th2+1'-Zellen. Sie vereinen in sich das Abwehrpotential beider Untergruppen und erwiesen sich in der Studie als stabil, wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Immunity" berichten: Auch Monate nach Abklingen der Virusinfektion war die neue Abwehrfunktion noch in den Gedächtnis-T-Zellen anzutreffen. Zudem klärten die Forscher die molekularen Grundlagen: Jede der neuen Th-Zellen bildet zwei Schlüssel-Transkriptionsfaktoren - sowohl den Genregulator zur Parasitenabwehr als auch den Faktor zur Virusbekämpfung.
Diese grundlegenden Erkenntnisse fördern nicht nur das Verständnis von 'Lernprozessen' in Immunzellen. Sie eröffnen auch neue Wege zur Therapie von Asthma und Allergien. Denn besonders die gegen Parasiten gerichteten Th2-Zellen tragen zur Entstehung dieser Erkrankungen maßgeblich bei. "Durch das Umprogrammieren in die neue Hybridform hoffen wir, die Allergie verstärkenden Eigenschaften dieser Helferzellen schwächen zu können", sagt Professor Löhning. "Diese therapeutische Anwendung erforschen wir derzeit." Seine von der VolkswagenStiftung im Rahmen des Lichtenberg-Programms geförderte Arbeitsgruppe an der Medizinischen Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité arbeitet eng mit dem DRFZ Berlin zusammen.
Die Studie zeige, wie wichtig Grundlagenforschung für die Entwicklung neuer Therapien sei, betonen Professor Dr. med. Gerd-Rüdiger Burmester, Direktor der Medizinischen Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie, und Professor Dr. rer. nat. Andreas Radbruch, Direktor des DRFZ: "Allergien und Asthma nehmen in den Industrieländern seit Jahrzehnten zu. Unsere Entdeckung könnte die Behandlung immunologischer Erkrankungen in der Zukunft verbessern und den Betroffenen helfen."
Originalveröffentlichung: Hegazy et al.; "Interferons direct Th2 cell reprogramming to generate a stable GATA-3+T-bet+ cell subset with combined Th2 and Th1 cell functions"; Immunity (2010)