Ausblick 2010: Biotech-Firmen stehen bei Pharmariesen weiter hoch im Kurs
(dpa-AFX) Pharma schluckt Biotech, Biotech kauft Biotech: 2010 dürfte sich dieser Trend auch wegen der anstehenden Umsatzerosion bei "Big Pharma" durch den auslaufenden Patentschutz für Kassenschlager mit Milliardenumsätzen fortsetzen. "2009 gab es zahlreiche Übernahmen von Biotech-Firmen - die wohl spektakulärste war der Kauf des Biotech-Pioniers Genentech durch Roche für rund 47 Milliarden Dollar", sagt Fondsmanager Daniel Koller von der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech. Allerdings dürfte das neue Jahr bei Fusionen und Übernahmen nach Ansicht des Analystenteams um Oliver Kämmerer von der WestLB hinter dem Boomjahr 2008 zurückbleiben.
Alleine zwischen Januar 2008 und Oktober 2009 hagelte es laut UniCredit in der Pharma- und Biotechbranche mehr als 700 Übernahmen mit einem Gesamtvolumen von 321 Milliarden Dollar. Im Fokus standen dabei vor allem Biotech-Unternehmen mit einer Expertise in der lukrativen Krebsforschung, denn pro Patient und Jahr können sich die Kosten für Krebsmedikamente schon mal auf 50.000 Dollar summieren.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Umsatz in den drei am stärksten wachsenden Therapiegebieten mehr als verdoppelt: Während 2004 Medikamente gegen Krebserkrankungen Umsätze von 24 Milliarden Dollar generierten, waren es vier Jahre später schon 48 Milliarden Dollar. Experten erwarten bis 2014 einen Anstieg auf 70 Milliarden Dollar. Der größte Spieler in der Onkologie ist der Schweizer Pharmariese Roche mit einem Marktanteil von rund 34 Prozent. Roche war 1990 bei Genentech für 2,1 Milliarden Dollar eingestiegen und hat sich durch die Komplettübernahme den Zugriff auf Krebsmittel wie das umsatzstarke Avastin gesichert.
Kooperationen zwischen Big Pharma und Biotech
Neben Zukäufen wird "Big Pharma" auch 2010 wieder auf Kooperationen setzen: "Die erwartete Umsatzerosion durch die anstehenden Patentabläufe müssen nebst eigenen Entwicklungsprojekten durch Lizenzabkommen und Zukäufe ausgeglichen werden", erläutert Fondsexperte Koller. In der Regel leisten die Pharmakonzerne eine Vorabzahlung an die Biotechfirmen. Weitere Zahlungen werden an das Erreichen bestimmter Fortschritte gekoppelt. Der Wert strategischer Kooperationen zwischen Pharma- und Biotechfirmen summierte sich 2008 alleine in den USA nach dem globalem Biotech-Report der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young auf rund 20 Milliarden Dollar.
Größter Deal des Jahres 2009 ist der Ausbau der Kooperation von Sanofi-Aventis mit der US-Biotechfirma Regeneron mit einem potenziellen Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Dollar. Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline forscht mit Intercell und steigt gleichzeitig als Aktionär bei dem Wiener Impfstoffhersteller ein. Bayer entwickelt gemeinsam mit der norwegischen Algeta ein Krebsmittel. Auch die deutschen Biotech-Firmen Evotec und MorphoSys sind begehrte Kooperationspartner.
Für den BB Biotech-Experten ist auch Qiagen interessant: "In Deutschland ist Qiagen eine große Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen ist sehr gut positioniert und gilt als etablierte Firma." Zur Palette gehören Gentests für Krebs- und Viruserkrankungen, darunter auch ein Test für die Schweinegrippe. Inzwischen gilt Qiagen neben Roche und der US-Firma Genprobe als einer der führenden Anbieter auf dem Gebiet der molekularen Diagnostik, die bei der Personalisierten Medizin eine wichtige Rolle spielt.
Die Verbindung Big Pharma und Biotech ist jedoch nicht einseitig. Vor allem kleinere und mittelgroße Biotech-Firmen brauchen die Konzerne, um die teure Medikamentenforschung zu finanzieren. Der Geldfluss für Biotech-Gesellschaften ist nach Angaben der deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) seit 2005 um insgesamt 45 Prozent eingebrochen. Viele der oft sehr kleinen deutschen Biotechs, die in der Wirkstoffforschung tätig sind, steuern laut DIB-Chef Stefan Marcinowski spätestens 2010 auf ein Finanzloch zu.
Zweistelliges Umsatzwachstum
In den kommenden vier bis fünf Jahren erwartet Fondsexperte Koller für die gesamte Biotech-Branche mindestens ein zweistelliges Umsatzwachstum: "Die Unternehmen in den USA, bei denen wir investiert sind, dürften zwischen 15 und 25 Prozent wachsen. Biotech-Firmen sind gezwungen, auf differenzierte Medikamente zu setzen, was mit höheren Renditen belohnt werden kann, aber auch mit höheren Risiken verbunden ist." Privatanlegern rät er daher nicht in Einzelaktien, sondern eher in einen Biotech-Fonds zu investieren.
2009 hat sich der Nasdaq-Biotech-Index schwächer als der Nasdaq Composite geschlagen: "2008 war das Bild komplett umgekehrt, als Biotechwerte deutlich besser liefen als der Gesamtmarkt. Wenn der Aufschwung voranschreitet, werden zyklische Werte wohl wiederum stärker zulegen als defensive wie Pharma- oder auch Biotech-Aktien", glaubt Koller. "Wir sind aber überzeugt, dass wir mit Biotechnologiewerten ein nachhaltiges Wachstumsthema haben."
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