"Stealth"-Strategie von Krebszellen aufgeklärt
Seit gut dreißig Jahren ist bekannt, dass die NK Zellen des menschlichen Immunsystems die Fähigkeit besitzen Tumorzellen abzutöten. Dabei sind insbesondere solche Tumorzellen im Visier der NK Zellen, die durch Mutationen ihre Erkennungsstrukturen für eine andere Gruppe von Immunzellen, den T Killerzellen, verloren haben. Lange Zeit war unbekannt, wie NK Zellen bösartige Tumorzellen von gesunden Körperzellen unterscheiden können. Die Entdeckung des Rezeptors NKG2D auf NK Zellen und dessen molekularen Zielstrukturen, den NKG2D-Liganden, die vor allem auch auf Tumorzellen vorhanden sind, brachte hier einen entscheidenden Fortschritt. Infolgedessen konnten mehrere Forschergruppen zeigen, dass Tumorzellen, die auf ihrer Oberfläche NKG2D-Liganden tragen, von dem Immunsystem mittels des NKG2D-Rezeptors erkannt und abgestoßen werden können.
Diese Befunde untermauerten die in Fachkreisen kontrovers diskutierte Hypothese, wonach das körpereigene Immunsystem Tumorzellen in Schach halten kann ("tumor immunosurveillance hypothesis"). Der Mensch besitzt acht verschiedene NKG2D-Liganden und damit eine außergewöhnlich hohe Zahl von Bindungspartnern für den NKG2D-Rezeptor. Derzeit ist unklar, warum NKG2D mit so vielen verschiedenen Molekülen wechselwirkt, wie sich die NKG2D-Liganden in ihrer Funktion voneinander unterscheiden, welche NKG2D-Liganden für eine Tumorimmunüberwachung besonders wichtig sind und warum diese Immunkontrolle bei Krebs versagt. Alexander Steinle und seine Mitarbeiter versuchten im Rahmen eines von der Stiftung geförderten Projekts diesen Fragen auf den Grund zu gehen.
Sie konnten zeigen, dass sich Tumorzellen dem "Immundetektor" NKG2D dadurch entziehen, indem sie die NKG2D-Liganden von ihrer Oberfläche abwerfen. Im letzten Jahr gelang ihnen nun auch der Nachweis wie der Abwurf dieser Tumormarker erfolgt, nämlich durch die sogenannten ADAM-Proteasen, die sich auf der Oberfläche von Tumorzellen befinden und wie ein molekularer Rasenmäher Proteine von der Zelloberfläche abschneiden. Gelänge es nun diesen Abschneidevorgang gezielt durch chemische Substanzen oder Antikörper zu blockieren, könnte dadurch die Immunabwehr von Tumoren vermutlich verbessert werden.
Genau diesen Ansatz möchten nun Alexander Steinle und sein Team in den kommenden Jahren verfolgen, um neue Therapieoptionen für Krebserkrankungen zu entwickeln. So ist das Fernziel der Tübinger Forscher durch eine Steigerung der NKG2D-vermittelten Tumorimmunabwehr im Verbund mit anderen immuntherapeutischen Maßnahmen die Immunität gegen Krebs bei Krebspatienten wirkungsvoll zu mobilisieren.
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 140.000 €.
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Themenwelt Antikörper
Antikörper sind spezialisierte Moleküle unseres Immunsystems, die gezielt Krankheitserreger oder körperfremde Substanzen erkennen und neutralisieren können. Die Antikörperforschung in Biotech und Pharma hat dieses natürliche Abwehrpotenzial erkannt und arbeitet intensiv daran, es therapeutisch nutzbar zu machen. Von monoklonalen Antikörpern, die gegen Krebs oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden, bis hin zu Antikörper-Drug-Konjugaten, die Medikamente gezielt zu Krankheitszellen transportieren – die Möglichkeiten sind enorm.
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