Die Membran als wichtiger Akteur beim programmierten Zelltod
Jeder komplexe Organismus hat ein aktiv kontrolliertes Programm, die Apoptose, um die eigenen Zellen sterben zu lassen. Für den Organismus ist die Apoptose zum Überleben notwendig, z.B. bei der Kontrolle der Größe von Geweben. Unkontrolliertes Gewebewachstum kann zu bösartigen Tumoren und damit zu Krebs führen. Ein Ziel der Krebsforschung ist deshalb, Apoptose bei diesen entarteten Zellen auszulösen. Die Mitglieder der Proteinfamilie Bcl-2 sind Schlüsselregulatoren des programmierten Zelltodes und stehen im Fokus der Studie von Forschern des Biotechnologischen Zentrums der TU Dresden (BIOTEC) und des spanischen Centro de Investigación Príncipe Felipe. Ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von Nature Structural and Molecular Biology zeigen, dass die Membran von Mitochondrien ("Kraftwerke" der Zelle) die Bindung zwischen zwei Proteinen der Bcl-2 Familie stark fördert. Darüberhinaus wird die Sensibilität gegenüber Blockern, die den Zelltod begünstigen, in der Membran beeinflusst.
Die Rolle der mitochondrialen Membran wurde bei der Untersuchung der Todesproteine in vergangenen Studien eher vernachlässigt. Daher gibt es bisher kaum experimentelle Daten zur Interaktion dieser Proteine in der Membran. So ist noch nicht klar, wie die Proteine miteinander interagieren um den Zelltod zu verhindern oder herbeizuführen und welche Rolle ihre Verortung in die Membran während des Zelltodes spielt. Auf den Grund gegangen sind die Wissenschaftler diesen Fragen mit einer neuen Variante der Fluoreszenz-Kreuz-Korrelationsspektroskopie, mit der die Interaktionen von zwei Proteinen der BcL-2 Familie quantifiziert werden konnten. Sie untersuchten die Proteine in wässriger Lösung und in künstlichen Mitochondrialmembranen. "Wir fanden heraus, dass das Protein Bcl-xL - welches den Zelltod verhindert -, sich mit dem Protein tBid - das den Zelltod einleiten kann - vorwiegend in der Membran verbindet", erklärt Dr. García-Sáez aus der Gruppe von Prof. Schwille am BIOTEC. "tBid wird also neutralisiert und kann die Apoptose nicht mehr starten." Die Membran fördert diese Bindung viel stärker als bisher angenommen.
Um zu testen, ob die Bindung dieser beiden Proteine in der Membran verschieden ist zu der in wässriger Lösung, verwendeten die Forscher einen Blocker, der in der derzeitigen Entwicklung von Krebsmedikamenten verwendet wird -- das Peptid BH3. Dieser Blocker bindet Bcl-xL und hebt dessen Aktion auf. Dadurch kann tBid, die Apoptose auslösen. Prof. Petra Schwille erzählt: "Das Ergebnis überraschte uns - in Lösungen konnte das Peptid BH3 die Verbindung zwischen Bcl-xL und tBid leicht wieder lösen, in Membranen hingegen war es nur möglich, einen kleinen Teil dieses Komplexes zu zerstören. Das ist ein Indiz dafür, dass tBid / Bcl-xL Verbindungen in Lösung anders gestaltet sind als in Mitochondrialmembran und Blocker dort auch anders wirken." Die Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten in der Entwicklung von Blocker-Medikamenten, die Bcl-xL in der Membran binden können.
In zukünftigen Studien möchten die Forscher weitere Blocker testen und sehen, wie unterschiedlich sie in Lösung und in der Membran wirken. Damit kann man verstehen lernen, wie einzelne Blocker als Medikamente arbeiten und wo sie am effizientesten wirken. "Die Ergebnisse der Studie helfen uns enorm dabei zu verstehen, wo bestimmte Proteine, die den Zelltod herbeiführen, außer Gefecht gesetzt werden. Die mitochondriale Membran war dafür bislang kaum anerkannt", sagt Dr. García-Sáez. Der neuartige experimentelle Ansatz bietet auch neue Perspektiven zur Erforschung molekularer Mechanismen bei den Interaktionen an Schnittstellen, wie z.B. der Membran.
Originalveröffentlichung: Ana J. García-Sáez, Jonas Ries, Mar Orzáez, Enrique Rérez-Payà, Petra Schwille; "Membrane promotes tBid interaction with Bcl-xL"; Nature Structural and Molecular Biology: 11. Oktober 2009