"Antifaltenkur" für Peptide

05.10.2009 - Deutschland

Für eine neue Methode zur Herstellung von Peptiden erhält Dr. Irene Coin den Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis 2009 des Forschungsverbunds Berlin.

Irene Coin hat bei ihrer Dissertation am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) eine Methode zur Herstellung von Peptiden entwickelt, die zuvor nicht oder nur schwer zu synthetisieren waren. International greifen Forschergruppen zunehmend auf diese Methode zurück.

Peptide spielen eine zentrale Rolle bei der Kommunikation im Organismus, sie sind bei einer Vielzahl biochemischer Prozesse im Körper beteiligt. Ein Peptid ist ein kleines Protein, wie dieses besteht es aus einer Kette von Aminosäuren. Ein Beispiel für ein Peptid ist Insulin zur Regulierung des Blutzuckerspiegels, ebenso Gastrin, das die Produktion von Magensäure anregt. Weitere Beispiele sind Neuromodulatoren, die die Abläufe des Körpers bei Stress regulieren, wie Angstzustände und Depression. Peptide beeinflussen also gezielt Funktionen des Körpers - genau das sollen auch Medikamente tun. Als körpereigene Substanzen haben Peptide den Vorteil, keine Abwehrreaktionen des Körpers hervorzurufen, was Nebenwirkungen gering halten würde. Die Suche nach neuen Wirkstoffen ist ein Schwerpunkt der Forschung am FMP, wobei Peptide als wesentliche Hilfsmittel zur Untersuchung von Regulationsmechanismen des Organismus dienen.

Um ein Peptid herzustellen, müssen Aminosäuren in einer definierten Reihenfolge über sogenannte Peptidbindungen zu einer Kette aneinandergehängt werden. Die strukturellen Informationen werden somit über die Abfolge der Aminosäuren im Peptid codiert. Darüber hinaus können Peptidketten in Abhängigkeit von der Aminosäureabfolge Sekundärstrukturen bilden, wodurch eine weitere Codierung von Information im Molekül erfolgt. Sekundärstrukturen können eine Helix, also eine Spirale, oder ein beta-Faltblatt sein. Im letzteren Fall bilden sich zwischen Aminosäureketten Brücken aus, die soweit zur Verdrängung von Lösungsmittelmolekülen vom Peptid führen können, dass es schließlich unlöslich wird und damit nicht mehr gut anwendbar ist. Diese Peptid-spezifische Sekundärstrukturbildung kann auch während der Synthese von Peptiden auftreten und zu einer schwer überwindbaren Hürde werden. Insbesondere eine starke beta-Faltblattstrukturierung während der Synthese führt dazu, dass eine Peptidkette nicht weiter aufgebaut werden kann. Ein Peptid muss also an der Bildung eines beta-Faltblattes während der Synthese und Reinigung gehindert werden, aber dann anschließend in diese natürliche Struktur, die Teil der Codierung ist, zurückkehren können. Genau dies gelang Irene Coin mit der "Depsipeptidmethode", wobei die reguläre Peptidkette dadurch an ihrer Strukturierung gehindert wird, dass bestimmte Aminosäuren in einer "falschen" Orientierung eingebaut werden. Durch einen einfachen Trick gelingt es am Ende, dass die "falsch orientierten" Aminosäuren "auf Befehl" in ihre korrekte Orientierung gebracht werden. Diese Methode konnte Dr. Coin in Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe von Dr. Michael Beyermann vollständig automatisieren und die notwendigen Bausteine sind mittlerweile kommerziell erhältlich. Die Depsipeptidmethode findet dabei nicht nur Anwendung in der Peptidsynthese, sondern auch zur Untersuchung von Amyloidpeptiden, wie in der in der Erforschung der Alzheimer-Krankheit, oder zur Entwicklung von Prodrugs.

Trotz starker internationaler Konkurrenz konnte Irene Coin ihre Ergebnisse hervorragend publizieren, unter anderem in der Zeitschrift Nature Protocols. Für ihre Dissertation erhielt Irene Coin neben dem Preis des Forschungsverbundes auch den Friedrich-Weygand-Preis, mit dem der Max-Bergmann-Kreis hervorragende peptidchemische Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlern auszeichnet. "Der Preis des Forschungsverbundes ist für mich eine wichtige Anerkennung meiner Arbeit", sagt Irene Coin. Sie freut sich besonders darüber, dass der Preis in diesem Jahr für Peptidchemie vergeben wird: "Dieses Fach wird oft als Service-Arbeit für 'wichtigere' Fächer angesehen", so Coin.

"Irene Coin ist eine außerordentlich begabte, vielseitige Chemikerin", sagt Prof. Michael Bienert vom FMP. "Mit ihrer Arbeit hat sie entscheidende Akzente beim Aufbau von Peptiden gesetzt", ergänzt er, und sieht die Italienerin am Anfang einer erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere. Derzeit setzt Irene Coin ihre Forschung am Salk Institute for Biological Studies (Kalifornien) als Postdoc fort. Langfristig möchte sie aber nach Europa zurückkehren: "Am liebsten würde ich eine eigene Gruppe in Deutschland gründen, denn hier fühle ich mich mittlerweile zu Hause und habe die meisten Freunde."

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